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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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feil. Rechtsanwalt Behling versucht, die Freigelassenen per Eiltelegramm zu bremsen: »Beglückwünsche Sie herzlich zur Heimkehr. Bitte Sie jedoch dringend im Interesse gleichgelagerter Fälle gegenüber allen Personen und Stellen weitgehende Zurückhaltung bezüglich des Verfahrens und Ihrer sonstigen Erlebnisse zu üben.« Beitz schreibt er, es sei zu befürchten, dass es sich »um ausgesprochen törichte Leute handelt«. Zum Glück sind das Ausnahmen.
    Konrad Adenauer hat einmal auf die rote Nelke in der Brusttasche von Beitz’ Anzug gezeigt und süffisant angemerkt: »Sie sind ja schon ein halber Kommunist.« Wäre der Krupp-Generalbevollmächtigte wirklich blind für die dunklen Seiten des Kommunismus gewesen, hätte er nicht dessen Opfer zu befreien versucht. Wie viele Menschen Beitz in der Phase vor der eigentlichen Entspannungspolitik, die ab 1969 einsetzt, freibekommen hat, lässt sich nicht mehr feststellen; er selbst weiß es auch nicht: »Es waren einige, aber ich habe sie nicht gezählt.«

Ein Kruppianer in Kampen:
Berthold Beitz privat
    Das Haus lässt ihn schaudern, so scheußlich findet er es. Bevor die Familie Beitz Ende 1953 nach Essen zieht, hat ihm die Firma ein standesgemäßes Domizil angeboten, eine alte Fabrikantenvilla: ein strenger alter Kasten, wie ein düsteres Schloss gebaut, um durch sein Äußeres die Bedeutung des Bewohners zu demonstrieren. Daher schreibt er dem zweiten Krupp-Bevollmächtigten, Friedrich Janssen: »Ich glaube, meine arme Frau würde sich mit dem Heer von Dienstpersonal totärgern. Das Haus macht einen sehr dunklen Eindruck, und ich liebe ja – Sie kennen mein Büro in Hamburg – helle und schöne Räume.«
    Ferdinand Streb, der alte Freund, baut ihm dann zwei Jahre später sein Traumhaus, in dem Beitz über alle folgenden Jahrzehnte leben wird. Es gehört übrigens der Firma, auch wenn er und seine Frau hier Wohnrecht auf Lebenszeit genießen. Auf einem Hügel hoch über dem Baldeneysee errichtet Streb ein doppelstöckiges Haus mit Flachdach, einer fast schwebenden Wendeltreppe zwischen den Etagen und einem großen geschwungenen Balkon. Das Wohnzimmer führt auf eine breite Terrasse hinaus zum Garten, die Panoramafenster sind versenkbar. »Ich wollte«, erinnert sich Beitz, »gern etwas Modernes, schick, nicht so traditionell, ich wollte es locker, leicht, durchsichtig.« Beitz liebt das Haus, das heute als Meisterwerk der hellen Moderne aus den fünfziger Jahren gilt.
    Der zum Wohnzimmer offene Essbereich erweist sich rasch als zu beengt, und so wird ein Esszimmer angebaut, das einem runden Tisch für sechzehn Personen Platz bietet. Während sich das Familienleben in dem bescheiden dimensionierten »Damenzimmer« abspielt, empfängt und bewirtet das Ehepaar – manchmal zweimal am Tag – in den Repräsentationsräumen Präsidenten, Minister, Botschafter und natürlich Industrielle, wobei Beitz als strahlender Gastgeber eine lockere Atmosphäre um sich verbreitet. Die gelegentliche Einbeziehung der Töchter betont die persönliche Note. Sie haben, brav angezogen, ihre Knickse zu machen und ab und an auch fremdsprachlich zu plaudern. Die kleine, erst 1958 geborene Bettina erheitert als Kind die Gäste, darunter viele Politiker aus Osteuropa, die laut Bettina »nach komischen Parfums rochen und ebenso komische Schokolade mitbrachten«.
    Der Vater hat für die Kinder wenig Zeit, und es sind Sternstunden, wenn er sich überreden lässt, mit ihnen zu spielen und dabei noch beim Schummeln ertappt wird, das er mit Spaß und einigem Geschick betreibt: Im Ärmel verbirgt er Spielkarten, und beim Scrabble hortet er geklaute Buchstaben in der Hand. Gegen die Konventionen verstößt auch seine Auffassung von Hausmusik: Wenn er nach Hause kommt, wird das mehr oder weniger gelungene Spiel auf dem Flügel oder der Querflöte durch Jazzplatten abgelöst, zu denen er auch mal ausgelassen mit einer Tochter tanzt.
    Die Tanzfeste, zu denen die Töchter gehen, werden kontrolliert: Sind die Eltern der Gastgeber anwesend? Die Töchter Beitz müssen zeitig nach Hause, Verstöße werden streng gerügt. Etwas mehr Freiheit kann die spätgeborene Bettina genießen. »Er hat uns«, erinnert sie sich, »auch später nicht vorgeschrieben, welche Freunde wir treffen oder was wir nach der Schule machen sollten. Ich wurde zur Selbständigkeit erzogen. Aber er hat klare Vorstellungen davon gehabt, wie das Leben laufen soll. Allzu wilde Partys und pubertäres Gehabe hätten wir uns nicht

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