Berthold Beitz (German Edition)
Auswärtige Amt wiederholt schreibt, »die Sowjets in Rückführungsfragen leider sehr wenig guten Willen zeigen«. Freilich trägt auch hier Beitz’ beherzter Vorstoß bei Chruschtschow Früchte, bei dem er den Kremlchef zu einer Geste »des guten Willens« aufgefordert hat. Chruschtschow hat, wie geschildert, das Ansinnen des Kapitalisten, gleich Tausende von Ausreisewilligen gen Westen ziehen zu lassen, zwar rundheraus abgelehnt, ist aber dafür im Einzelfall bemerkenswert zugänglich. Beitz hat während der Russlandreise 1963 dem Ministerpräsidenten Kossygin Kopien von fünf abgelehnten Ausreiseanträgen mitgebracht. Wenige Wochen später schreibt Chruschtschow persönlich an den sowjetischen Botschafter in Bonn: »Entsprechend der Bitte von B. Beitz über die Ausreise von 5 Personen der deutschen Nationalitätausder Sowjetunion in die Bundesrepublik … sind die zuständigen sowjetischen Stellen zu einem positiven Entschluß gekommen.« Fünf Menschen dürfen somit auf direkte Intervention des russischen Staatschefs hin in den Westen zu ihren Angehörigen. Ihre Namen werden zusätzlich auf die »Liste der 40« gesetzt, welche die Russen nach Beitz’ Besuch im Kreml zugestanden haben, nämlich vierzig Härtefälle, für die es Ausreisegenehmigungen gibt.
Auf der Liste steht unter anderem Ida G. Weihnachten 1945 ist sie als 23-Jährige von der Roten Armee in Berlin festgenommen und nach Sibirien gebracht worden. Als ihr Mann aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, ist die junge Frau fort; der anderthalbjährige Sohn ist in Berlin zurückgeblieben und wächst nun beim Vater auf. Peter G. macht den Aufenthaltsort seiner Frau ausfindig und versucht fast zwanzig Jahre lang, sie freizubekommen. Vergeblich. Schließlich schreibt er Beitz, der ihm antwortet: »Ich versuche, Ihnen zu helfen. Viel Hoffnung geben kann ich Ihnen nicht.« Doch tatsächlich lassen die Russen die Frau gehen. Am 21. Juli 1964 empfängt Peter G. seine Frau im Durchgangslager Friedland, wie er Beitz in einem Dankesbrief mitteilt: »Die Freude der Familie, daß nun nach fast 20jähriger Trennung alle wieder vereint sind, können Sie sich vorstellen. Sie kam gleich ins Krankenhaus. Anschließend kam sie zu einem Erholungsaufenthalt nach Grafenhausen im Schwarzwald. Ich durfte sie dorthin begleiten, da ihr seelischer Zustand es erforderte.« Beitz’ Erfolg ist so ungewöhnlich, dass ihm der zuständige Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt 1963 schreibt: »Bei dieser Gelegenheit möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß Sie als erster repräsentativer Besucher aus der Bundesrepublik das Problem der Repatriierung gegenüber den Sowjets angeschnitten und dabei einen beachtlichen Erfolg erzielt haben.«
Am schwersten sind vergleichbare Hilfsversuche in der DDR . Hier stößt auch Beitz an Grenzen, denn das SED -Regime macht in den Jahren unmittelbar nach dem Bau der Mauer kaum Ausnahmen von der Regel, die eigene Bevölkerung einzusperren. Entsprechend wenig kann Beitz ausrichten. Nicht einmal im Fall eines alten Greifswalder Klassenkameraden ist Hilfe möglich.
Die Briefe von Betroffenen rühren noch heute an; häufig sind sie krakelig und fehlerhaft, manchmal in Schönschrift verfasst – allesamt Zeugnisse menschlicher Tragödien wie jener von Werner B. aus Nürnberg, der alte Fotos seiner noch sehr kleinen Kinder beilegt. Beim Bau der Mauer am 13. August 1961 befand sich B., damals DDR -Bürger, zu Besuch in Westdeutschland; über Nacht war er von seiner Familie getrennt. Sechs Jahre hat er versucht, sie herauszubekommen, die Kinder wachsen ohne Vater auf. Aber Beitz kann nicht helfen, obwohl er es – unter anderem sogar über den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt – versucht.
Im Vergleich zur DDR sind die Hardliner in Rumänien geradezu entgegenkommend, die Beitz über ihren Bonner Handelsvertreter Nicolae Vaduvescu um humanitäre Gesten bittet. So gelingt es ihm in einem direkten Gespräch mit Staatspräsident Maurer, die 32-jährige Gräfin Elisabeth T. freizubekommen, deren Familie im Westen ihn um Hilfe gebeten hat. Das alles geschieht im Stillen, nur selten berichtet die Presse darüber, etwa über das Wiedersehen eines Ehepaars aus Warendorf: »Ihr Glück begann zum zweitenmal.« Der Name Beitz fällt nicht. Er legt Wert auf Diskretion, allerdings nicht immer mit Erfolg. Das Ehepaar F. aus Ungarn, das er freibekommt, wendet sich statt eines Dankes an die Boulevardzeitungen und bietet seine Geschichte
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