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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Eisernen Vorhangs keineswegs einfach. Im Rückblick schreibt Beitz: »So konnte ich in meinen Gesprächen nicht oft genug darauf hinweisen, daß ich als Interessenvertreter von Fried. Krupp und keineswegs als Regierungsbeauftragter unterwegs war. Diese Unterscheidung nachzuvollziehen, fiel meinen Gesprächspartnern als Funktionären von Staatshandelsländern naturgemäß schwer.«
    Dennoch werden Auftritte im Osten nun auch für andere Industrielle selbstverständlicher – ein Verdienst von Beitz, da ist sich Lachowski sicher: »Er hat immer gewusst, wie er auch andere wichtige Deutsche nach Warschau bringt.« So fliegt Beitz 1965 mit seinem Freund Max Grundig und dem VW -Vorstandsvorsitzenden Heinrich Nordhoff zur Posener Messe, wo die polnische Regierungsspitze schon auf sie wartet. Grundig will in Polen Tonbandgeräte bauen lassen, als Modellfall für die geplanten Joint Ventures. Doch auch daraus wird nichts. Immerhin, so Lachowski: »Herr Grundig hat mir einen Fernseher geschenkt. Aber ich hatte schon einen.«
    Im selben Jahr verabschieden die deutschen katholischen Bischöfe, unter ihnen der Beitz gut bekannte Ruhrbischof Hengsbach, ihre Ostdenkschrift, in der sie neue Schritte zur Versöhnung mit Polen fordern, die das Beharren auf unerfüllbaren Rechtspositionen überwinden sollen. 1966 kommt es in Bonn zur Großen Koalition, der Sozialdemokrat Willy Brandt wird Außenminister und bereitet jene von Berthold Beitz erhoffte Politik der Entspannung vor. Vieles von dem, was Beitz denkt und wünscht, wird erst lange später Gemeingut werden: die Einsicht in die deutsche Schuld gegenüber Polen, der Wille zur Versöhnung, das Ende der Arroganz gegenüber den verachteten Völkern des Ostens, gegenüber den »Polacken, die unser Land geraubt haben«, wie es in einem Hassbrief an Beitz heißt. Für vieles von dem, was er erreichen will, ist es zu früh, ist er seiner Zeit zu weit voraus. Gleichwohl ist er, wie er später sagen wird, »bis an die Grenzen des Möglichen gegangen«. Dadurch wurde er für die Osteuropäer das Gesicht eines anderen Deutschland. »Bei der Vorbereitung der Entspannung«, sagt Lachowski heute, »hat er eine entscheidende Rolle gespielt. Unsere Regierung hat viel erfahren, wie die Deutschen denken, und gespürt, dass es auch Deutsche gibt, die Versöhnung wollen.« Beitz selbst fasst das Ganze später so zusammen: »Wir waren damals zugleich wirtschaftliche Akteure und politische Pioniere. Ich möchte daher für alle, die diese Pionierarbeit geleistet haben, feststellen, dass erst die mehr oder weniger funktionierenden Wirtschaftsbeziehungen die politische Verständigung und die Entwicklung einer deutschen ›Ostpolitik‹ ermöglicht haben.«
    »ICH BITTE SIE …«: HUMANITÄRE AKTIONEN
    Die Ostkontakte von Berthold Beitz zwischen 1956 und 1969, die Karsten Rudolph treffend als »Wirtschaftsdiplomatie« bezeichnet, haben noch eine Seite, von der fast niemand erfährt und die bis heute kaum bekannt ist: Dem Krupp’schen Generalbevollmächtigten gelingt es dank seiner Kontakte immer wieder, Menschen aus dem Ostblock herauszuholen, die verzweifelt ausreisen wollen: Frauen, die von ihren Männern getrennt sind, Väter, deren Familien auf der falschen Seite des Eisernen Vorhangs leben, sogar Westdeutsche, die in die Mühlen der kommunistischen Justiz geraten sind. Seit seine Warschau-Reise 1961 durch Presse, Funk und Fernsehen gegangen ist, schreiben ihm Verzweifelte; meist handelt es sich um Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten, die jetzt zu Polen gehören. Es sind so viele Briefe, dass Beitz sie gar nicht alle persönlich beantworten kann, fast täglich kommen neue. Er arbeitet in diesen Angelegenheiten mit dem Hamburger Rechtsanwalt Kurt Behling zusammen, der viele Fälle betreut. Es ist sehr schwer, den Betroffenen zu helfen. In dieser Spätphase des Kalten Krieges, in den Jahren nach dem Bau der Berliner Mauer von 1961, sind die Bürger die Leidtragenden: Je mehr die Staaten sich anfeinden, desto weniger sind humanitäre Erleichterungen möglich.
    Kaum aber macht Beitz als Handelsreisender zwischen den Blöcken Schlagzeilen, richten sich viele Hoffnungen auf ihn. So schreibt ihm der Frankfurter Oberkirchenrat Johannes Bartelt, ob Beitz nicht dazu beitragen könne, einigen Angehörigen der kaschubischen Minderheit in Polen zu Aussiedlungsgenehmigungen zu verhelfen. Aber Beitz’ Büro muss antworten: »Es tut Herrn Beitz außerordentlich leid, Ihnen auf Ihre Bitte keinen positiven

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