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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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mit seinen Problemen, seinen Gedanken und Gefühlen vorbehaltlos anvertrauen könnte. Vielleicht noch den Bildhauer Jean Sprenger, der 1980 stirbt. Der Fotograf Otto Steinert, einer der Pioniere der modernen und experimentellen Fotografie, wird ein guter Bekannter. Es bleiben die alten Freunde in der Ferne, wie Streb und Blumenfeld. Seinen besten Freund aber kennt er nicht aus Hamburg, sondern von einer zufälligen Begegnung im oberbayerischen Jägerwinkel. Es ist der Unternehmer Max Grundig (1908–1989). »Max«, so erinnert sich Beitz, »war ein Mann, den ich nachts anrufen konnte, um zu sagen: Hör mal zu, ich habe Schwierigkeiten, ich brauche deinen Rat. Und er hat von mir gesagt, ich sei sein einziger wahrer Freund. Er war auch ein Einzelgänger, wie ich.« Einmal schreibt er Grundig (und so etwas schreibt er selten): »Ich darf mich bei Dir herzlich für all die erwiesene Großzügigkeit mir gegenüber bedanken und baue weiterhin auf Deine bewährte Freundschaft.«
    Grundig, der in der Fürther Sternstraße mit einem kleinen Reparaturladen für Rundfunkgeräte begonnen und nach dem Krieg das legendäre Radio Heinzelmann zum Selberbauen erfunden hat, ist schon 1952 Europas größter Hersteller von Rundfunkgeräten. Schnell und trendsicher steigt er ins Geschäft mit den neuen Fernsehapparaten und Tonbandgeräten ein. Der patriarchalischen Firmenphilosophie bei Krupp nicht unähnlich, gibt er die Devise aus: »Bei uns wird niemand entlassen.«
    Tatsächlich gibt es neben einem ausgeprägten sozialen Bewusstsein gewisse weitere Parallelen zwischen Grundig und Beitz: Beide haben aus dem Nichts heraus beeindruckende Karrieren gemacht und führen zwei der wichtigsten Unternehmen des Landes, jedes auf seine Weise ein Symbol des westdeutschen Wirtschaftswunders. Beide halten sich sehr weit fern von den Industrieklüngeln und Verbandsfürsten. Beide zählen nicht zu denen, die eine einfache Herkunft vergessen wollen oder vergessen machen wollen, im Gegenteil, sie sind stolz darauf. »Wir sprachen dieselbe Sprache und blieben mit beiden Beinen auf dem Boden«, sagt Beitz heute, der über Grundig einmal gemeint hat: »Den sicheren Freund erkennt man in unsicherer Sache.« 1987 hält er eine Festrede für ihn: »So sind mir Max Grundigs Hände aufgefallen: sensible Hände, Künstlerhände, Bastlerhände. Hände, die gestalten und die Form geben wollen, auffällig eigentlich erst in Verbindung mit einer dickschädeligen Kraft und Zähigkeit – und die braucht es in unserer Welt, um das unternehmerisch durchzusetzen, was er mit seinen Händen geformt hat; geschickt und sicher im Geschmack.«
    Sie sehen sich oft, fahren zusammen zum Segeln in die Karibik oder besuchen sich gegenseitig. Außerdem sind sie Mitglieder der Aufsichtsräte in den Unternehmen des jeweils anderen.
    Es gibt aber noch etwas, was sie verbindet. Beitz spricht es aus, als er 1989 tief erschüttert die Trauerrede für den Freund hält, der seinem schweren Krebsleiden erlegen ist: »Er war und blieb ein Einzelgänger, ein kraftvoller, unabhängiger, unerhört durchsetzungsfähiger Mann. Er mißtraute zutiefst der Pose, der Glätte, der bloß höflichen Form. Hinter seinem oft kantig wirkenden Äußeren verbarg sich der empfindliche Kern, das leicht verletzbare Ich.« Es ist, als spräche Beitz zugleich über sich selbst – nur dass er »das leicht verletzbare Ich« nicht hinter einem kantigen Äußeren, sondern, noch schwerer erkennbar, hinter dem Charisma der Lebensfreude verbirgt, was ihn wiederum markant von seinem Freund unterscheidet.
    Dort, wo er Max Grundig kennengelernt hat, lebt eine weitere gute Freundin von Beitz: Trudel Hardieck, die Inhaberin der noch heute bestehenden »Privatklinik Jägerwinkel« in Bad Wiessee. Sie trägt fast stets ein Dirndl, dabei ist sie Berlinerin und auf der Flucht hier am Tegernsee gestrandet, in einer der schönsten Landschaften Bayerns. Mit zielstrebiger Energie hat sie sich ab 1956 ein Sanatorium aufgebaut – jedenfalls sollen die Gäste sich wohlfühlen und den Stress vergessen. Beitz, der hier öfter Urlaub macht, mag ihre direkte Art, ihre unverblümte Redeweise, ihr unternehmerisches Geschick und ihre Begabung, mit Menschen umzugehen. Bei »Muttern«, wie Trudel Hardieck sich selber gern nennt, trifft sich eine bunte Mischung von Leuten, die meist nicht so sehr Heilung, sondern eine lebensfrohe Atmosphäre suchten: die jüdische Sängerin Fritzi Massary feiert dort ihren 80. Geburtstag. Zita, die letzte

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