Berthold Beitz (German Edition)
Gruppe zu rechnen. Für ihn ist die Jagd auch ein Stück Freiheit, mit all ihren Riten, der Natur, dem Handwerk des Jagens. Es ist eine Freiheit, die einem Leben unter dem Diktat eines übervollen Terminkalenders viel zu oft fehlt: die Freiheit, einmal durchzuatmen, eine Freiheit in der Natur, im einfachen Leben, die er bis heute unbedingt benötigt.
Zum Inbegriff des Freiseins von Zwängen, Termin und Pflichten aber wird für Berthold Beitz die Insel Sylt und vor allem Kampen. Bis Ende der vierziger Jahre ist die Nordseeinsel eher ein beschaulicher Ort gewesen. Nach dem Krieg entstehen dann legendäre Kneipen und Treffs wie die »Kupferkanne«, das »Rote Kliff« oder das »Gogärtchen«. In der »Kupferkanne«, einer ehemaligen Bunkeranlage am Watt, von Günter Riek zu einer Parklandschaft gestaltet, trifft sich die Prominenz; hier lernt Beitz in den Nachkriegsjahren Jean Sprenger kennen, über den er dann später mit Alfried Krupp zusammentrifft. Sprenger verbringt lange Sommer auf Kampen, aus denen genügend Aufträge resultieren, dank derer er sich weitere Sommer leisten kann.
Der angesagteste Strandtreff der Wirtschaftswunderjahre ist »Buhne 16«, wo man, seinerzeit unerhört freizügig, auch nackt baden darf, ein Privileg, das Beitz zurückhaltend ausübt. »Die hübschesten Mädchen«, so erinnert sich eine Sylt-Veteranin, »standen meist nackig an Buhne 16, auch die meisten Männer, nur Gunter Sachs und Berthold Beitz hatten immer eine Badehose an.«
Unabhängig von der nicht zu klärenden Frage, ob letztere Angabe historisch korrekt ist, beschreibt die Journalistin Antje Johl das damalige Prominentenleben in mare : »Auf fällt, wer bekleidet bleibt: Rudolf Augstein zum Beispiel und der Verleger Ernst Rowohlt. Letzterer, von enormer Fülle, trägt stets Badehose und auf dem kahlen Schädel ein an den vier Ecken geknotetes Taschentuch. Sitzt so wie ein Buddha im Sand oder bis zum Hals im Wasser, je nach Wetter.« Für weniger Empfindsame ist die Freikörperkultur wohl schlicht Ausdruck eines exklusiven und neuen Freiheitsgefühls nach schweren Jahren, der Freude, die strengen Konventionen der fünfziger Jahre für einen Moment hinter sich zu lassen. Beitz trifft am Strand einmal einen unbekleideten Herrn, der gerade eine Sandburg gräbt und freundlich grüßt: Es ist Major Jones, der ihn 1946 eingestellt hat.
»Man traf sich am Meer«, so Beitz, »und gegen fünf oder sechs ging man dann zu ›Karlchen‹, wo Werner Höfer schon auf seinem Stammplatz saß und Hof hielt. Plötzlich war es elf geworden, man hatte Hunger, Karlchen Rosenzweig machte in seiner winzigen Bar Schmalzbrote. So ging das eben zu, ganz unfeierlich und zwanglos. In Kampen fuhr bis 1969 noch diese Bimmelbahn von Westerland hinauf bis nach List, und dort, auf der Bahn, fanden Maskeraden statt wie beispielsweise ›Wikingerfest‹ oder ›Südsee-Nacht‹. So war Kampen damals.«
Kampen ist das Refugium von Berthold Beitz, ein Ort der Ruhe und Erholung oder zumindest dessen, was Berthold Beitz darunter versteht. Dazu gehört Sport mit Rudi Drust, der zum Leidwesen von Else bereits zum Frühstück erscheint, sich in die Küchenbank klemmt, die Bildzeitung ausbreitet und Kaffee trinkend daraus vorliest. Unter der Anleitung dieses kernigen Essener Trainers findet sich bei jedem Wetter eine Gruppe von Freunden am Strand zu schweißtreibenden Übungen zusammen. »Rückwärts die Dünen hoch, ihr Jammerlappen!« Erholung ist für ihn einerseits die Abwesenheit seines Büros, andererseits aber die Anwesenheit von Freunden und Gästen, die er freigiebig in sein kleines, erst gemietetes und 1972 gekauftes Reetdachhaus einlädt. Oft serviert er hausgemachte Erbsensuppe oder grillt seine vielgerühmten Steaks. Oder es gibt gekochten Hummer, der mit den Händen gegessen wird. Häufig ist es auch so, dass der Hausherr gut gelaunt vom Strand zurückkehrt und – so als sei es die erfreulichste Nachricht der Welt – zur Gattin sagt, dass am Abend vielköpfiger Besuch zum Essen vorbeikommt. Zu seinen Gästen gehören Gerhard Schröder, Horst Ehmke, der Regierungssprecher Conny Ahlers, Hans-Ulrich Kempski von der Süddeutschen Zeitung , und der Fernsehjournalist Gerd Ruge. Spontane Besuche vor allem dienstlicher Natur dagegen mag er nicht, weshalb er ein Schild anbringt, auf dem zu lesen ist: »Zur Zeit in Urlaub – Besuche nur nach Vereinbarung«.
Zu Gast im »Gogärtchen« ist in den fünfziger Jahren die junge Bühnenschauspielerin Rena
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