Berthold Beitz (German Edition)
Deutschen Treuhand. Berthold Beitz erklärt, wie er heute sagt, seinen Mitarbeitern im Büro: »Wenn ich jemals entführt werden sollte, will ich nicht ausgetauscht werden.«
Dass die Sorgen in diesen Jahren der Unsicherheit nicht unbegründet sind, zeigt sich etwa daran, dass Unbekannte einen Brandanschlag auf Axel Springers Ferienhaus auf Sylt verüben, das dabei vollständig zerstört wird.
Wenn Beitz trotz seines enormen Arbeits- und Terminpensums nicht das ist, was man später einen Workaholic nennen wird, dann deshalb, weil er sich ein Privatleben bewahrt. Im hohen Alter wird er einmal sagen: »Ich lebe gern und habe gern gelebt.« Rena Liebenow, die alte Freundin des Ehepaars Beitz, hat ihre eigene Erklärung, warum Berthold Beitz anders sei als so viele andere und speziell viele Prominente. Sie hat ja etliche davon in Kampen und am Theater kennengelernt: wichtige Menschen, so durchdrungen vom Glauben an die eigene Bedeutung, dass ihnen ihre Mitmenschen als völlig unbedeutend erscheinen und entsprechend behandelt werden. »Bei Berthold«, sagt sie, »beeindruckt mich bis heute die natürliche Herzlichkeit gegenüber Leuten aus allen Schichten. Das ist eine seltene Gabe. Er hat keinen Dünkel und keine Standesmentalität. Er ist bei all seinen Erfolgen einfach Mensch geblieben.«
»Was soll nur einmal aus Krupp werden?«:
Das Jahr der Entscheidung (1966)
DER TRAURIGE PRINZ: ARNDT VON BOHLEN
Der Junge wartet schon, ungeduldig, voller Vorfreude und stiller Furcht. Er ist ein Kind mit weichen Zügen, treibt ungern Sport, ist keiner, der zu den Wortführern der Schülercliquen zählt. Das Heim ist im unteren Schloss untergebracht, direkt zu Füßen der Nagelfluhwand. Dort droben hauste nach der am Ort sehr beliebten Legende ein berüchtigter Raubritter namens Heinz vom Stein in seiner Höhlenburg; die beeindruckenden Räume einer Felsenfestung sind noch immer über eine steile Treppe zu erreichen. Das untere Schloss dagegen ist von heiterem Charakter, neben großen alten Bäumen erstreckt sich ein vielgliedriger Palazzo in warmen Farben, Sitz des Landerziehungsheims Stein an der Traun,eines nach den Maßstäben der Zeit fortschrittlichen Internats – nicht die Sorte, in denen heimwehkranken Schülern mit Strenge und Rohrstock das Gehorchen beigebracht wird. Und doch, hier, in der Abgeschiedenheit der bayerischen Provinz, wird 1951 ein unglückliches Kind verwahrt, man kann es nicht anders sagen.
Über die Landstraße entlang der Traun nähert sich in rascher Fahrt ein Wagen, wie man ihn hier nicht oft sieht: ein silberner Porsche, wie ein Kindertraum aus dem Wirtschaftswunderland. Und ginge es nach Arndt von Bohlen und Halbach, dann nahte in diesem schnittigen Wagen der Erlöser. »Mein Vater besucht mich, und wer weiß, vielleicht nimmt er mich gleich mit«, ruft der 13-Jährige aufgeregt seinen Schulfreunden zu.
Aber es geht nicht nach ihm, heute so wenig wie gestern oder in Zukunft. Es geht so wenig nach ihm, wie es in der Jugend des Vaters nach dessen Wünschen ging. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wird in den Empfangsraum der Schule geführt, wo der Sohn mit pochendem Herzen auf ihn wartet. Der Vater drückt ihm still die Hand, wie immer außerstande, Gefühle zu zeigen. Er lässt sich, ohne viel zu sagen, von den Lehrern die schulische Lage Arndts erläutern. Bald steigt er in den chromglänzenden Sportwagen und fährt wieder fort. Arndt bleibt zurück. Dieser Vater ist kein Erlöser.
Arndt, geboren 1938, ist Alfried Krupps einziges Kind. Die Mutter, Annelise Bahr, wurde zu Beginn des Krieges von der Villa Hügel verbannt, die Ehe geschieden. Annelise Bahr wird das nicht verzeihen, sie verfällt immer mehr in die Rolle einer geltungsbedürftigen Königsmutter, die ihren Sohn dominiert und keine Gelegenheit auslässt, diesem die eigene Bedeutung vor Augen zu führen: »Du bist so jung, du bist so reich, du bist so schön!« Du bist ein Krupp!
Arndt hat den Vater kaum kennengelernt. Er entwickelte in dieser unruhigen, dem Kind so bedrohlich erscheinenden Kriegszeit, in der die Mutter sein einziger Halt war, eine überaus enge Bindung an sie. Die Nachkriegsjahre verbrachte er in Internaten, eine Zeit, die er später schlicht als »die reinste Hölle« bezeichnet, eine Hölle der Heimatlosigkeit. Seinen Vater sieht er in Landsberg wieder. Welch eine Begegnung für ein Kind: den Erlaubnisschein in der Hand, durch die Gefängnistore, entlang düsterer Korridore, die schmale Zelle, eine Viertelstunde
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