Berthold Beitz (German Edition)
blickt Graeter auf das Treiben des traurigen Stahlprinzen zurück: »Arndt, vom Auftreten her ein bisserl König Ludwig II . und ein bisserl Inka-Herrscher, pflegte schon in seiner Studentenzeit Lifestyle, da wussten die meisten noch gar nicht, was das heißt.« Im Spiegel schreibt Rudolf Augstein 1967 mit erkennbar geringerem Wohlwollen: »Arndt … hat demonstriert, daß er nicht geneigt und kaum fähig ist, an die Spitze des Konzerns zu treten. Seit einiger Zeit tummelt er sich mit seinem Rolls Royce an den Plätzen der internationalen Snobiety. Bei einem Bar-Bummel in Nizza verlor er 1965 einen Platinring mit einem vierzehnkarätigen Solitär im Wert von 120 000 Mark.«
Jeden, der Alfried Krupp nur ein wenig kennt, muss es schaudern bei der Vorstellung, wie der Konzernherr derlei Nachrichten über seinen Erben aufnimmt. Und leider wird es keineswegs besser, wenn ihm sein Sohn persönlich unter die Augen tritt. Mehr und mehr gibt sich Arndt weiblich, er pudert mitunter sein Gesicht, benutzt Schminke; seine homosexuellen Neigungen sind nur noch schwer zu übersehen. Je offener sich Arndt aber dazu bekennt, desto weniger kann er die Rolle des künftigen Konzernherrn ausfüllen – sie wäre gesellschaftlich nicht akzeptiert worden. Mitte der sechziger Jahre ist er wieder einmal bei »Vater zwei« zu Besuch und tollt mit der kleinen Bettina herum, der Jüngsten im Haus, sie ist jetzt sieben Jahre alt. Als sie das Spiel zu wild treibt, mahnt Arndt sie: »Bettina, so etwas macht eine junge Dame aber nicht.« Darauf sagt die Kleine schlagfertig, wenn auch mit altersbedingter Taktlosigkeit, worüber die anderen nur raunen: »Und du sollst dir nicht die Wimpern tuschen, Arndt! Du bist doch ein Mann!«
Kein Mann, befindet Vater Alfried schließlich, der geeignet wäre, Krupp zu führen.
»GRÜNDEN SIE DOCH EINE STIFTUNG«:
DIE ZUKUNFT DES KONZERNS
Auch im Unternehmen zweifeln die Manager an der Eignung des designierten Firmenerben. »Playboy«, das gilt damals unter hart arbeitenden Menschen als Schimpfwort, und welcher Konzern stünde mehr für harte Arbeit als die Männerwelt von Krupp mit ihren Stahlkochern, Bergarbeitern und Ingenieuren? Mitte der sechziger Jahre herrscht Befremden über die immer seltener werdenden Besuche des jungen von Bohlen und Halbach in Essen.
Mehrfach revidiert Alfried Krupp sein Testament, zum ersten Mal schon 1962. Er berät sich mit seinem Vertrauten: Berthold Beitz. Der mag den jungen Mann zwar, aber in der Sache kann er dem Vater nur recht geben.
Alfried Krupp verfolgt nun bei der Regelung seines Erbes drei Ziele. Erstens: Die Familie von Bohlen und Halbach soll mit Krupp nichts mehr zu tun haben. Zweitens: Die Einheit des Traditionsunternehmens soll gewahrt bleiben. Drittens: Eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft würde dem engen Band zwischen Krupp und den Kruppianern widersprechen. Für denalternden Patriarchen sind anonyme Aktionäre und die soziale Verpflichtung des bisherigen Familienunternehmens unvereinbar.
Der erste Punkt klingt hartherzig, dabei zeigt sich hier letztlich eine tief verwundete Seele. Waren nicht andere Krupps viel überzeugter vom »Führer« gewesen als er? Hatte die Familie während der Landsberger Gefängnisjahre nicht den kleinen Arndt links liegen lassen? Und waren nicht diese Briefe gekommen, die er nach der Postausgabe in der Haftanstalt mit hilflosem Zorn lesen musste? Beitz, mit dem er später einmal darüber sprach, erinnert sich: »Es hat ihm kaum jemand geschrieben.« Und wenn doch, sei das nicht immer Grund zur Freude gewesen. »Henry Thomas, der Mann seiner Schwester Waldtraut, forderte ihn sogar brieflich auf, er, Alfried, der Alleininhaber, solle das Vermögen der Krupps unter den Geschwistern aufteilen – er wolle das so haben. Solche Dinge haben Alfried tief getroffen.« Zwar pflegt Alfried Krupp noch gute Kontakte zu seinen Brüdern Berthold und Harald. Zeitweilig überlegt er sogar, Berthold zum Miterben einzusetzen, neben Arndt. Aber auch Berthold erscheint ihm zu unstet und nicht stark genug. Grundsätzlich hat Alfried kein Vertrauen in den weitverzweigten Familienclan.
Ebenso wichtig ist der zweite Pfeiler, auf den Alfried Krupp den Konzern stellen will: die Einheit des Unternehmens. Mit Arndt erlischt absehbar die Tradition, Krupp, das Privatunternehmen ohne Aktionäre oder Aufsichtsrat, immer nur in eine Hand zu geben. Andere Kinder gibt es nicht, und es steht zu befürchten, dass Arndt als Erbe mehr als versucht wäre, den
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