Berthold Beitz (German Edition)
Konzern zu verkaufen.
Diese Überlegung führt schließlich zum dritten Punkt: Geht es nach Alfried Krupp, so wird es auch in Zukunft keine Aktionäre geben, denen die Dividende am Ende wichtiger ist als das Wohl des Unternehmens und seiner Belegschaft. Viele in seinem Umfeld, vor allem seine Kritiker, verkennen dieses tief verwurzelte Gefühl sozialer Verpflichtung für Menschen, die sich als »Kruppianer« bezeichnen, eine traditionsstolze Arbeiterschaft, die, anders als Karl Marx meinte, durchaus mehr zu verlieren hat als ihre Ketten. Genau deshalb hält der letzte Krupp nichts von anonymen Kapitalgebern – eine Einstellung, die heute, fast fünfzig Jahre später, in Zeiten von Hedgefonds, Shareholder Value und dem Absturz einer von Gier geprägten, überhitzten Finanzwelt plötzlich wieder aktuell anmutet.
Beitz erklärt, er selbst habe dem düster grübelnden Konzernchef in den frühen sechziger Jahren die Stiftungsidee wieder nahegebracht. »Ich sagte bei einem unserer Gespräche: Herr von Bohlen, gründen Sie doch eine Stiftung.« Und zwar eine unabhängige, frei von selbstsüchtigen Aktionären oder unberechenbaren Erben. Sie solle von einem Kuratorium gelenkt werden, das allein dem Wohl der Firma verpflichtet wäre. Die Stiftung als Besitzerin solle auf den Gewinn des Unternehmens angewiesen sein und und gemeinnützige Aufgaben wahrnehmen.
Auch der nun schon greise Tilo von Wilmowsky kommt 1964 auf seine Idee zurück, angetrieben von Sorgen um die Zukunft der Firma. In einem Brief an Alfried warnt er nun klarsichtig vor »der Gefährdung der Einzelunternehmen. Die Ausdehnung der Mitbestimmung wird ebenso schwer zu vermeiden sein wie die Offenlegung der Bilanzen.« Dafür müsse das Unternehmen krisensicher aufgestellt sein. »Ich brachte damals Dir gegenüber die Gründung einer Stiftung zur Sprache; Du sagtest mir, daß Du das lange erwogen hättest, aber auch hier sage ich mir, daß jetzt doch allmählich der Zeitpunkt für einen Entschluß herannaht.«
Und der Entschluss wird fallen. 1965 erwähnt Alfried Krupp »aus Sorge um Arndt« die Stiftungsidee einem alten Freund gegenüber, Enzio Graf von Plauen, auf dessen Schloss Wiesenburg er 1937 geheiratet hat. Es ist Herbst 1966, als die Entscheidung endgültig fällt. Nicht zufällig hängt sie damit zusammen, dass Krupp bereits finanziell angeschlagen ist und die Rezession düstere Schatten auf den Konzern wirft. Die Stiftung ist die Lösung. Bleibt ein, nein, das Problem: Arndt. Ohne seine Zustimmung sind alle Pläne hinfällig. Er ist der Erbe, und selbst wenn er nur den Pflichtteil erhalten würde, wäre die Stiftungsidee tot. Beitz und Alfried Krupp bereiten ein Angebot vor, das Arndt zum Erbverzicht bewegen soll. Aber wie sagt man es ihm, und vor allem: wer? Alfried will nicht mit dem Sohn sprechen, er kann nicht, zu viel steht schon zwischen ihnen. Nichts wäre nun schlimmer als eine Trotzreaktion von Arndt. Also sagt der Vater zu Beitz: »Das müssen Sie machen.«
NACHT DER ENTSCHEIDUNG
Es ist der Abend des 16. September 1966, an dem sich das Schicksal des Großkonzerns Krupp entscheiden wird. Arndt von Bohlen und Halbach ist zu Hause bei Berthold Beitz eingeladen. Man sitzt beim Essen, parliert nett, dann zieht sich Else Beitz zurück und lässt die Herren allein. Sie weiß, warum. Ihr Mann bittet den Jüngeren ins Wohnzimmer und kommt zur Sache: »Arndt, nun lass uns einmal reden. Wie denkst du dir eigentlich dein weiteres Leben?«
Beitz weiß nach all den Jahren, die er Arndt schon kennt, dass der Junge nicht die Absicht hegt, sein Leben an der Altendorfer Straße zu verbringen. Er redet daher offen: Ein Verzicht auf das Stahlimperium wäre für Arndt doch geradezu eine Befreiung, die Befreiung von einer Last, an der er zu schwer tragen würde. Und er macht dem Jungen ein Angebot: Unterschriebe er einen Verzicht auf dieses Erbe, würde ihm dieser Schritt vergolten durch eine jährliche Apanage in Höhe von zwei Millionen Mark. Der letzte Krupp sagt erst einmal nichts, dann blickt er auf und fragt: »Was meinst denn du, Berthold?«
»Ich halte es für richtig, Arndt. Es ist richtig für dich, richtig für deinen Vater und auch richtig für die Firma, wenn du es annimmst.«
Es wird ein langes Gespräch, bis über Mitternacht hinaus. Am Ende steht Arndts Entschluss fest: »Ja, du hast recht.«
Nun könnte es für Arndt naheliegen, dem väterlichen Sendboten zu misstrauen, selbst wenn es »Vater zwei« ist. Immerhin würde ihn die
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