Berthold Beitz (German Edition)
Mannesmann zurückblickt: Günter Vogelsang, dessen »fachliche Qualifikation« er »von seiner früheren Tätigkeit im Hause Krupp her kannte« und den er »daher für den richtigen Mann hielt«, mitsamt der nötigen Härte und Durchsetzungsfähigkeit. Ein früheres Angebot von Alfried Krupp, Vorsitzender des Krupp-Direktoriums zu werden, hatte Vogelsang abgelehnt. »Der Geist des Hauses Krupp war: Der Inhaber hat das Sagen«, erinnert er sich. »Wer aber in der Verantwortung für das laufende Geschäft steht, muss die Impulse geben können.« Er wird noch daran denken. Im Juli 1967 wird Vogelsang nominiert, und bald darauf tritt er sein neues Amt an.
Beitz seinerseits hat in diesem ersten Halbjahr 1967 schwer zu kämpfen, kann er der Macht der Banken doch kaum etwas entgegensetzen: »Die wären mit mir Schlitten gefahren, wenn Herr von Bohlen nicht dagewesen wäre. Drei Monate hätten sie mir vielleicht gegeben.«
Der Firmeninhaber verzichtet auf jede Form der Schuldzuweisung, des Blame Game , das in solchen Lagen sonst mit der Wucht eines Naturgesetzes einsetzt, bei dem die faktische Schuld wenig zählt und ihre erfolgreiche Zuweisung umso mehr. Derlei ist unter Alfried Krupps Würde. Er hat die alten Industrien bewahren wollen, und er wird jetzt nicht ausgerechnet den Mann bezichtigen oder als Sündenbock opfern, der an diesem Kurs Zweifel geäußert und ihn dann doch loyal mitgetragen hat. Immerhin gelingt es beiden noch kurz vor Alfried Krupps Tod, die Stiftungslösung durchzusetzen, die schon lange geplant war, und damit eine mögliche Abhängigkeit von Aktionären fürs Erste zu vermeiden. Was immer Krupp besitzt, wird der Stiftung gehören, insofern bleibt die Tradition des Alleinbesitzers durchaus erhalten, eine Tatsache, die 1967 viele übersehen. Zu Beitz sagt Alfried Krupp in den bewegten ersten Monaten des Jahres 1967: »Warum regen Sie sich eigentlich so auf? Das ist doch gar nicht so schlimm. Warum schlafen Sie denn nicht? Da haben wir schon andere Sachen erlebt.«
TOTENWACHE AUF DEM HÜGEL:
ALFRIED KRUPPS TOD
Alfried Krupp wird bald schon nicht mehr da sein, um Beitz beizustehen. Er ist sein Leben lang ein starker Raucher gewesen, so hat man ihn oft gesehen, schweigend, etwas abseits, die Zigarette in der Hand. Seine Gesundheit ist zuletzt angeschlagen, aber erst im Jahr vor seinem Tod wirkt er schwächer, als man ihn kannte. Alfried Krupp zieht sich zurück – auch vor der großen Krise. Er ist nicht einmal an dem Tag in der Firma, als Günter Vogelsang sein Amt als Vorstandschef antritt. Wie schlecht es wirklich um ihn bestellt ist, ahnt indessen niemand, auch sein engster Vertrauter nicht. Vier Wochen vor seinem Tod sind er und Beitz noch einmal zum Segeln auf der Ostsee, am Steuerruder der Germania VI steht Alfried, wie immer. Die Luft ist kühl, erinnert sich Berthold Beitz, »und Alfried stand da im Hemd an Bord, er fröstelte. Ich sagte zu ihm, Mensch, Herr von Bohlen, Sie müssen etwas drüberziehen! Aber er hatte nichts dabei. Ich hatte einen ganz neuen Pullover und sagte: Den schenke ich Ihnen, Sie sind ja ein armer Mann.« Eigentlich ist Beitz aber nicht nach Scherzen zumute, er macht sich Sorgen, und die Germania kehrt um.
Ein Arzt schickt den stark hustenden Firmenchef sofort ins Krankenhaus – und die Diagnose lautet: Lungenkrebs. Alfried Krupp hat nun den Wunsch, sein Haus zu bestellen. Nur neun Tage vor seinem Tod, am 21. Juli 1967, empfängt er Beitz und Paul Mikat und billigt die Satzung der Stiftung. Dabei streicht er, wie schon beschrieben, eigenhändig jenen Passus, welcher der Familie von Bohlen noch Mitwirkungsrechte eingeräumt hätte. Die beiden Besucher am Krankenbett ahnen jedoch noch immer nicht, dass der Mann, der ihnen so energisch dreinfährt, bereits dem Tode geweiht ist. Beitz will seinen Sylt-Urlaub absagen und bei ihm bleiben, aber Alfried Krupp winkt ab: »Nein, Herr Beitz, lassen Sie mal«, so schlimm sei es auch wieder nicht.
Beitz ist wenige Tage später also in Kampen, alte Freunde sind zu Besuch sowie Arndt und Annelise von Bohlen. Da klingelt, abends um halb elf, das Telefon. Es ist Alfried Krupps Arzt, Gerhard Moschinski: »Herr Beitz, Alfried Krupp ist soeben gestorben.« Beitz kann einen Moment nichts sagen, und Moschinski fährt fort: »Es war das Herz, es hat nicht mehr mitgemacht. Ich habe ihm noch eine Infusion gegeben, aber es war nichts mehr zu machen.«
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach stirbt am 30. Juli 1967 in seinem Haus, einsam im
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