Berthold Beitz (German Edition)
wohl aber als Banker an der Ausbeutung der besetzten Länder beteiligt. Außerdem gehörte er zum Aufsichtsrat der IG Farben. Was er dort über den Holocaust erfahren hat, ist bis heute unklar, ebenso wie »die Frage, wie weit sich Abs tatsächlich und faktisch mit dem NS -Regime eingelassen hat«, wie sein Biograph Lothar Gall 2004 schreibt. Ein Vierteljahrhundert später jedenfalls sitzt er in zahlreichen Aufsichtsräten, ist in Politik und Wirtschaft intensiv vernetzt, und allein sein Name bürgt dafür, dass Krupp noch nicht verloren ist. Der Preis aber, den er, die Banken und die Bundesregierung für ihre Hilfe verlangen, ist hoch, enorm hoch für Beitz und Alfried Krupp.
Am 21. Februar 1967 kommt Schiller in Alfried Krupps Privathaus und erläutert dem Konzernherrn und Beitz bis nachts um halb eins die Kapitulationsbedingungen. Noch zehn Jahre später wird Beitz zornig sagen: »Der Schiller hat sich gegenüber Herrn von Bohlen ganz übel benommen … wie ein übler Prolet. Schiller hat gesagt: Wenn Sie das nicht machen, geht es mit Ihnen den Bach runter.« Schiller sei erregt gewesen, zornig und bedrängend, Alfried Krupp provozierend kühl: »Wir haben schon schlimmere Zeiten erlebt, wir werden auch das überstehen.«
Aber Niederlage bleibt Niederlage. Der Bund gewährt im Zusammenspiel von nicht weniger als 28 Banken dem Essener Großkonzern eine Bürgschaft von 300 Millionen Mark, das Land Nordrhein-Westfalen noch einmal 150 Millionen. Die Banken geben außerdem einen Exportkredit über 100 Millionen Mark und bekräftigen bestehende Kreditlinien. Mit diesem gewaltigen Paket sind die Finanzierung von Exportaufträgen und eine Umwandlung gefährlich kurzfristiger Verbindlichkeiten in mittelfristige sichergestellt. Das alles ist für diese Zeit sehr viel Geld – aber am Ende wird Krupp die Bürgschaft gar nicht in Anspruch nehmen.
Das Ganze ist eine bittere Stunde für Beitz, der all die Details mitverhandelt hat. Und er muss Schiller ertragen, dem die Kunst der Selbstdarstellung im Übermaß gegeben ist, wie sich Helmut Schmidt erinnert: »Schiller war ein hochintelligenter, sehr tüchtiger Mann – aber so etwas von arrogant! Und noch empfindlich dazu. Er hat es verstanden, wirklich jeden gegen sich aufzubringen. Schiller war ein schwieriger Verhandlungspartner – aber das war Beitz wahrscheinlich auch.« Wenig erstaunlich, dass der Minister Gefallen daran findet, den Krupp-General den Kelch der Niederlage bis zur Neige austrinken zu lassen. Beitz soll nach dem Willen des Ministers verlieren, was er doch am meisten liebt: die Freiheit des Handelns. Alfried Krupp weilt fern auf einer Afrikareise, als sein Generalbevollmächtigter am 7. März 1967 zur Präsentation des Krupp-Rettungsplanes im Bonner Bundeswirtschaftsministerium zu erscheinen hat.
Schiller demonstriert dort, wer Herr im Haus ist. Der Minister sitzt mit Finanzminister Franz Josef Strauß am Tisch, daneben die Banker Hermann Josef Abs und Werner Krüger von der Dresdner Bank. Für manchen Beamten sind Plätze reserviert, für Beitz nicht. Der soll sich das Spektakel von der Seite ansehen müssen, bei den Zuschauern, umlagert von Journalisten. Auf Beitz’ Meinung, das will Schiller vorführen, kommt es in diesem Haus nicht mehr an. Aber es braucht mehr als solche Spielchen, um Beitz aus der Fassung zu bringen. Der drängt sich mit einem Stuhl bis zum Tisch durch, hockt sich an einer Ecke an der Stirnseite einfach neben die Banker und sagt sarkastisch: »Wir sind bescheiden.« Die Herren Abs und Krüger schauen an ihm vorbei.
Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben als Bescheidenheit. Karl Schiller erhebt sich mit einem Manuskript in der Hand, und was er nun vorliest, bedeutet nicht weniger als das Ende des alten Hauses Krupp. Nein, die Firma wird nicht untergehen, aber sie wird sein müssen wie alle anderen. Sie wird einen Vorstand haben und einen Aufsichtsrat, sie muss rationalisieren und ihre Bilanzen offenlegen. Der Spiegel schreibt: »Im schneidigen Stil eines selbstgefälligen Staatsanwaltes verkündete SPD -Wirtschaftsminister Schiller vor den Fernsehkameras seine Bedingungen.«
Krupp erhält also einen Aufsichtsrat; die Firma benötigt nun auch einen Vorstand für das operative Geschäft und darum eine neue Galionsfigur als dessen Vorsitzenden. Beitz schlägt Alfried Krupp einen Mann vor, der einst zu seinen getreuen jungen Leuten an der Altendorfer Straße gehörte, inzwischen aber auf eine eigene, eindrucksvolle Karriere bei
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