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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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wagen« will. Auch in dieser Hinsicht bildet Beitz, der sich zeitlebens so fern wie möglich von Verbänden und Interessengruppen hält, eine Ausnahme. Seine Nähe zu den Arbeitnehmern und damit zwangsläufig auch zur SPD hat sich schon in der Krupp-Krise ausgezahlt.
    Mommsen gehört anfangs zu den wenigen Industriellen von Rang, die sich der neuen Regierung zur Verfügung stellen. Schon wegen seines Engagements für die SPD gilt der frühere Chef von Phoenix-Rheinrohr bei Beitz’ alten Widersachern vom BDI als persona non grata: Über Jahre verweigern ihm, wie Mommsen noch 1972 in einem Brief an Brandt beklagt, Sohl und andere Industrielle ein Gespräch, und die Industriekreise, in denen er sich bewegt hat, strafen ihn mit »zum Teil absoluter Isolierung«.
    Die Regierung Brandt schickt mit Mommsen einen ihrer besten Leute nach Essen, um dem Konzern und damit Beitz nach dem Krackow-Debakel aus der Patsche zu helfen. Und Mommsen nutzt beiden, der Regierung ebenso wie Beitz, weil auch er zu den Verfechtern der Entspannungspolitik zählt. Anders als Beitz hat er den Horror der Besatzungspolitik in Osteuropa nicht selbst miterlebt. Der junge Mommsen gehörte vielmehr zum »Speer’schen Kindergarten«, jener Gruppe junger Technokraten, die Hitlers oberster Rüstungsplaner Albert Speer um sich geschart hatte. Dennoch blieb er frei von jeder NS -Verklärung und -Nostalgie und provozierte die Adenauer-Regierung als Vorstand von Phoenix-Rheinrohr, als er sich ab 1962 dem »Röhrenembargo« gegen Moskau widersetzte. Damals sollte auf Druck der USA westliche Hilfe beim Bau einer Pipeline durch die Sowjetunion unterbunden werden.
    Mommsens Ostkontakte mögen nicht das Ausmaß und die Bedeutung wie bei Berthold Beitz erreicht haben, sind aber von einem ähnlichen Geist getragen. Auf Fragen, wie man denn bloß mit den Kommunisten Handel treiben könne, pflegt Mommsen zu antworten: »Wir machen Geschäfte mit jedem, aber gegen niemanden.« Er ist, wie Beitz, ein Mann, den »das Abenteuer der Ost-West-Beziehungen« nicht mehr loslässt.
    Seine Nähe zu Schmidt ist dabei mehr als hilfreich: Ende 1974 begleitet Mommsen den neuen Bundeskanzler, der dem zurückgetretenen Brandt nachgefolgt ist, nach Moskau. Beitz und Mommsen sind für die Regierung Brandt, industriepolitisch betrachtet, Garanten und Fürsprecher der neuen Ostpolitik.
    IN EINEM UNBEKANNTEN LAND:
DIE CHINA-REISE 1973
    Ein wichtiges Ereignis in dieser Phase, das sich einfügt in die internationale Entspannungspolitik, ist der China-Besuch einer deutschen Wirtschaftsdelegation im Mai 1973. Zu der hochrangigen Besuchergruppe, die von Berthold Beitz angeführt wird, gehören unter anderem Lufthansa-Vorstandschef Herbert Culmann, für Klöckner Beitz’ Schwiegersohn Christian-Peter Henle, Henkel-Konzernchef Konrad Henkel, Deutsche-Bank-Vorstand Alfred Herrhausen, der frühere Bundesminister und Beitz-Vertraute Hans Leussink sowie Ernst Wolf Mommsen, der neue starke Mann bei Krupp. Es geht bei der Reise nicht um konkrete Projekte oder Vertragsabschlüsse. Der Besuch gleicht eher einer Expedition in ein fremdes, vom Westen und den globalen Handelswegen weit fortgerücktes Land. Die Volksrepublik China, noch regiert vom greisen und zunehmend kranken Mao Tse-tung, erholt sich langsam von den Gräueln und Schrecken der Kulturrevolution, mit der Mao von 1966 an die kommunistische Machtergreifung von 1949 vollenden wollte: »Wir wollen keine Freundlichkeit, wir wollen den Krieg.« Millionen »Intellektuelle«, »Bürgerliche«, Bauern und andere wurden Opfer von Gewaltexzessen Roter Garden, einer Orgie aus Fanatismus, Blut und Barbarei. Im Westen unterschätzte man den Terror der Roten Garden oft; auch viele 68er neigten dazu, die »Mao-Bibel« für eine Art fernöstliche Heilslehre zu halten. Erst Anfang der siebziger Jahre ergreift der Sog der globalen Entspannungspolitik zwischen den Machtblöcken auch die Volksrepublik. Das Land wird 1969 anstelle Taiwans von den USA diplomatisch anerkannt, und 1972 reist der amerikanische Präsident Richard Nixon nach Peking, unter anderem, um mit Hilfe der Chinesen einen Ausstieg aus dem verfahrenen Krieg in Vietnam zu finden.
    »Das Straßenbild in Peking ist durch kleine Fahrzeuge, gezogen von schlecht ernährten Pferden, Mauleseln und Eseln, geprägt«, notiert nun 1973 Delegations-Berichterstatter Leussink. Die Reise führt durch ein Land, das noch kaum etwas von der ökonomischen Großmacht späterer Jahrzehnte erahnen lässt. Die

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