Berthold Beitz (German Edition)
als harter Sanierer, der unter anderem die Werft AG Weser gerettet hat. Beitz heuert den Macher an, der vor Energie bebend verkündet: »Es soll bloß keiner glauben, daß ich ein Yes-Man bin.« Es hat unwiderruflich die Zeit begonnen, in der Anglizismen von Dynamik amerikanischen Stils und Weltläufigkeit der Manager künden sollen.
Krackow beginnt mit umfassenden Plänen für ein Personal-Revirement, wobei er sehr deutlich macht, dass es für ihn Interessanteres gibt als die Meinung des Aufsichtsrats. Wie Vogelsang beharrt er auf dem »Bindungsvertrag«, der die Stiftung kurz hält: Die unterkapitalisierte Fried. Krupp GmbH darf diesem »unwürdigen Vertrag« (Beitz) zufolge erst dann größere Dividenden an die Stiftung ausschütten, wenn die Firma Rücklagen auf die Hälfte ihres Stammkapitals von 500 Millionen Mark besitzt. Beitz will auch keine Alleingänge des Vorstandschefs zur Bildung einer Hausmacht dulden. »So geht das nicht. Da mache ich nicht mit«, poltert er im Aufsichtsrat. Die Ära Krackow ist nach 68 Tagen vorbei, kaum dass sie begonnen hat. Innerhalb von wenigen Wochen ist das Verhältnis zwischen Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzendem zerrüttet. Einige Jahre später wird Beitz zu Golo Mann sagen, er stehe ja leider im Ruf als »Rausschmeißer«: »Der böse Beitz, der ist so hart, der ist ein Killer.« So redeten die Manager daher. Dabei habe Krackow »als erstes ein Aufnahmegerät einbauen lassen und alle Telefongespräche, die ich mit ihm führ(t)e, dienstlich oder privat, aufgenommen. Ohne mich zu unterrichten.« Angeblich hätten andere Vorstandsmitglieder davon gewusst: »Die haben mitgemacht, dagesessen, das Tonband abgehört, was Beitz gesagt hat, haben sie noch aufgeschrieben, ein sogenanntes Kriegstagebuch nach preußischer Sitte, da musste jeder abzeichnen, stellen Sie sich mal vor. Das ist die deutsche Industrie.«
Und da, soll das heißen, muss er sich rechtfertigen, wenn Leute gefeuert werden? Öffentlich, sagt er zu Mann, habe er die Tonbänder nicht erwähnen wollen. Aber Krackow fliegt.
Krackows Nachfolger als Vorstandsvorsitzender ist mit seinen 62 Jahren schwerlich einer, der noch verwickelte Machtkämpfe ausfechten wird. Dafür aber verfügt er über große Erfahrung: Ernst Wolf Mommsen, Urenkel des berühmten Historikers Theodor Mommsen, Staatssekretär im Bonner Wirtschaftsministerium bei seinem Duz-Freund Helmut Schmidt, folgt Beitz’ Ruf nach Essen. Er kennt Politik und Wirtschaft, und qualifiziert hat er sich in Beitz’ Augen schon dadurch, dass er sich beim Konkurrenten Thyssen mit Sohl überworfen hat.
Mommsen stellt bei seinem Antritt fest, »daß das Unternehmen schon wieder tief in Verlust geraten war und noch dazu ein an allen Ecken und Kanten inkomplettes Programm aufzuweisen hat«. Ob die Wendung zum Besseren sein Verdienst allein ist, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls erhöhen sich die Erträge in seiner Ära durch gezielte Firmenkäufe, bis Krupp in Deutschland eine Führungsposition im industriellen Anlagenbau erreicht. Insgesamt ist die Zusammenarbeit mit Beitz nicht unharmonisch, zumal Mommsen den ungeliebten Bindungsvertrag aussetzt. Manchmal wirft Beitz seinem selbstbewussten Vorstandschef vor, er tanze auf »zu vielen Hochzeiten«, sitze in zu vielen Aufsichtsräten, sprich: engagiere sich zu viel außerhalb von Krupp – etwas, was er, der von sich sagt: »Krupp ist meine Lebensaufgabe«, nicht übermäßig goutiert. Das wiederum kränkt Mommsen, der später klagt: »Ich habe für Krupp wirklich Knochenarbeit geleistet, die Sonnabend und Sonntag mit einschloß.«
Doch all das ist eher Geplänkel. In jedem Fall ist Ernst Wolf Mommsen ein wichtiges Bindeglied zur Koalition aus SPD und FDP in Bonn, mit der Beitz gute Beziehungen pflegt. Viele andere Wirtschaftsführer haben den Beginn der sozialliberalen Ära 1969 für so etwas wie den Anfang vom Ende des Abendlandes gehalten. BDI -Boss Fritz Berg befürchtete »neomarxistische Tendenzen«, ein schöner Beleg dafür, dass die Wirtschaft von der 68er-Revolte und dem Aufbruch der akademischen Jugend »zunächst weitgehend unberührt geblieben ist«, wie der Historiker Lothar Gall mit mildem Understatement schreibt. Und ein SPD -Kanzler Willy Brandt mit sozialistischen Wurzeln erscheint etlichen wie der leibhaftige Gottseibeiuns. Schon die traditionelle CDU -Nähe der Wirtschaftsverbände hält diese zunächst in deutlichem Gegensatz zur neuen Regierung, die Reformen und »mehr Demokratie
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