Berthold Beitz (German Edition)
Ehescheidungsprozesses«, wie Mann eine Woche später an Beitz schreibt, um hinzuzufügen: »Selbstverständlich wäre ich da und dort zu Kürzungen oder Retouchen bereit gewesen, wenn sie nur nicht das für eine Biographie Unabdingbare betrafen; ich bin ja kein unvernünftiger oder zu Kompromissen ungeneigter Mensch.« Die Ablehnung durch Beitz erscheint ihm als »Kurzschluß-Entscheidung«.
Im selben Brief macht Golo Mann Beitz den Vorschlag, er werde das Manuskript entweder überarbeiten oder auf einen längeren Essay konzentrieren: »Diesen Versuch würde ich ganz auf mein eigenes Risiko machen.« So verbleibt man schließlich.
Es ist dann auch nicht Beitz, sondern Golo Mann selbst, der das Projekt endgültig abbricht, ein Umstand, der meist übersehen wird. Der Historiker schreibt am 18. November 1981: »Nach vier Monaten habe ich Distanz zu der ganzen betrübten Angelegenheit und sehe sie nun anders … Es hat keinen Sinn mehr; weder das Buch zu Ende zu führen, noch auch es zu einem viel kürzeren Essay zu kondensieren. Auch das vollendete Buch würde nicht Ihren Beifall finden, und selbst angesichts eines zusammenfassenden Essays bin ich nun zu unsicher, als daß ich noch einmal ein paar Monate Arbeit darin zu investieren Lust hätte, übrigens auch ganz einfach zu müde diesem Gegenstand gegenüber, der mich so überlange beschäftigt hat. Ich muß zum Heil meiner Seele und meiner Schriftstellerei jetzt was ganz anderes tun.« Beitz schreibt ihm zurück: »Ich verstehe Ihre tiefe Enttäuschung und akzeptiere Ihre Entscheidung. So wird also keine Veröffentlichung erfolgen.«
Als Mann das Werk fertig schreiben sollte, hat er sich gesträubt. Nun ist er die Bürde los – und scheint sie sogleich zu vermissen. Zornig schreibt er an Beitz: »Natürlich tut es mir leid um Ihre betrogenen Hoffnungen, wie um all den Aufwand, die generöse häufige Gastfreundschaft in Bredeney … All dies wiegt jedoch leicht, verglichen mit dem Schaden, der mir selber entstand und der im buchstäblichen Sinne des Wortes ›unbezahlbar‹ ist.« Außerdem weist er die Verantwortung für das Scheitern des Projekts weit von sich: »Übrigens kann ich mir auch bei strenger Selbstprüfung keine Schuld beimessen, soweit Schuld das Buch selber beträfe. Ich kann keine schlechten Bücher schreiben, und schlecht war auch dieses Buch nicht, oder wäre es nicht geworden.«
Golo Mann beginnt schon hier eine Begründung zu formulieren, die sich in späteren Jahren immer mehr verfestigen wird: Beitz habe das Buch gekippt, weil es Alfried Krupp zu kritisch geschildert habe. Im Dezember 1981 wendet er sich erneut an Beitz: »Die Art, in der Sie an Ihrem verstorbenen Chef hängen, ist mir immer tief sympathisch gewesen, und am Ende konnte ich ihm in Ihrem Sinne niemals gerecht werden.«
Zwei Jahre später äußert sich Mann in einem Brief an einen Bekannten dann so: »Es sollte ein Auftragsbuch werden, aber so geschah es nicht, weil der fertige Teil Herrn Beitz nicht gefiel. Übrigens nicht aus politischen Gründen: es war nur so, daß ich aus dem letzten Krupp, der nicht bös, aber eine ziemliche Null war, den Helden nicht machen konnte, den er, in eigentlich rührender Vasallentreue, aus ihm machen wollte.« Das hört sich, nach außen hin, ja nicht unplausibel an: Der mächtige Industrielle bestellt eine Biographie seines Freundes und früheren Chefs; der Historiker schreibt nach bestem Wissen und Gewissen einen Text; dem Auftraggeber ist das Ergebnis nicht lobhudelnd genug.
Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht.
Gewiss war Beitz die Schilderung persönlicher Details aus Alfried Krupps Privatleben auch zu intim. Aber darüber hätte man reden können. Im Juli 1981 liegen der Abgabetermin immerhin schon vier Jahre und der Auftrag sieben Jahre zurück, ohne dass die Biographie über das Fragmentstadium hinausgekommen wäre. Es fehlt Beitz der Glaube, dass der Autor das Werk, an dem er so sichtbar leidet, in absehbarer Zeit abschließen würde. Sodann hat Mann seine völlige Fremdheit gegenüber der Welt der Industriellen nicht überwinden können. Gewichtiger jedoch ist etwas anderes, wie Beitz heute zur Begründung seiner Entscheidung gegen das Buch sagt: »Es gab ein langes Hin und Her, aber eines wurde immer deutlicher: Golo Mann wollte eine Geschichte über Krupp schreiben, über die Firma, über Alfrieds Vater Gustav. Es war nicht in erster Linie Alfrieds Geschichte, die in dem Manuskript stand.«
Was Mann geschrieben hat, geht
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