Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
Vom Netzwerk:
tatsächlich zu einem nicht geringen Teil am Thema vorbei, nämlich an der Person Alfried Krupp. Viel lohnender erscheint dem Historiker die übermächtige Gestalt des Vaters, des Firmenpatriarchen Gustav Krupp: »Der Chef der Firma … erwies sich in den [auf die Niederlage 1918; J. K.] folgenden Jahren als überlegt, tapfer und zäh. … Der Abschied von der Monarchie und allem, was zu ihr gehörte, muß ihm fürchterlich schwergefallen sein; aber wir hören, wir lesen keine Klage.« Das ist der Stoff, aus dem Menschen sind, die Golo Mann faszinieren, stark in ihrem Willen, ihrem Wirken, ihren Widersprüchen. Alfried ist dagegen ein unglücklicher, unter dem Druck der zwanghaften Erziehung zu Krupp’scher Größer früh in sich zurückgezogener Junge, dessen kindliches Elend Mann anschaulich beschreibt: »Sonntags wurden die Söhne nicht später geweckt als wochentags, sondern früher, um den Tag mit Reitunterricht zu beginnen. Sie haßten aber das Reiten, weil man sie dazu zwang … Am meisten haßte es Alfried, er bekam Nesselfieber davon.« Alfried stand im Schatten des Vaters ebenso wie in dessen Bann, wie Golo Mann von alten Kruppianern erfuhr: »Noch der Student wurde blaß, wenn ein Diener ihm mitteilte, Herr von Bohlen wünsche ihn zu sprechen.«
    Über Schuld und Verstrickung der Familie Krupp und vor allem Gustav Krupps unter dem NS -Regime schreibt Mann klare Worte: »Er und sein Haus machten mit, freiwillig und freudig, machten intensiver mit, als sie gemußt hätten.« Gemessen am Vater, verblasst Alfried Krupp, der doch nach 1945 vieles besser gemacht hat als jener, für Golo Mann, wie erwähnt, zur »ziemlichen Null«. Ihm fehlt daher jede Zuneigung zum Objekt seiner Biographie; er schreibt über einen Fremden, über »eine Persönlichkeit, die mich nicht eigentlich ansprach und mit der ich mich in keiner Weise identifizieren konnte«. Spekulativ, aber interessant wäre die Frage, ob Golo Mann hier womöglich unterbewusst die Tristesse der eigenen Kindheit unter einem dominanten, übergroßen, ja den Sohn missachtenden Vater aufarbeitet. Ob er nicht sein eigenes Unglück in jenem des jungen Krupp wiedererkennt und mit umso heftigerer Abwehr reagiert. Über sich selbst hat er einmal geschrieben: »Golo Mann wurde als Sohn geboren; mochte es nicht, konnte es nicht ändern.«
    Das Buch jedenfalls beschreibt einen Menschen, den der Autor im Grunde dieses Buches nicht für würdig erachtet. Erst so wird verständlich, warum sich Berthold Beitz an dem Manuskript stößt. Das alles erfasst die Ursachen für das Scheitern des Buches jedenfalls differenzierter als die schlichte Behauptung, Beitz habe »sich wohl doch so etwas wie eine ›Kaiser-Geburtstagsrede‹ erhofft«. Es war gewiss schwer für Golo Mann, es ihm recht zu machen.
    Die Affäre verrät somit etwas über Berthold Beitz, über einen Wesenszug an ihm, den viele nicht vermuten, die seine charismatische, kraftvolle Seite erleben – nämlich Misstrauen und vor allem Verletzbarkeit. Auf öffentliche Kritik reagiert er mitunter mit einer Schärfe und Härte, die erstaunen mag; und das gilt nicht allein für Kritik an ihm, sondern auch an Alfried Krupp, dessen Erbe er bis an sein Lebensende verwalten will.
    Dafür gibt es noch andere Beispiele. 1962 streitet Beitz mit dem Verleger Ernst Rowohlt über Rolf Hochhuths Manuskript für sein Theaterstück Der Stellvertreter , das bald erscheinen soll und unter anderem die Tätigkeit von Krupp-Vertretern in Auschwitz behandelt. Der Publizist Fritz J. Raddatz, damals zweiter Mann im Verlag, wird später behaupten: »Es war keine fragende Intervention, es war der knallharte Versuch, die Publikation zu unterbinden.« Freilich weiß Raddatz nicht zu berichten, womit der Anrufer denn gedroht habe. Beitz bestreitet heute entschieden, unzulässigen Druck auf Rowohlt ausgeübt zu haben. Dafür wäre er auch viel zu klug. Er hat Rowohlt aber wohl mit Klagen für den Fall gedroht, dass Alfried Krupps Rolle im Dritten Reich falsch dargestellt würde.
    Sogar mit Johannes Rau gerät Beitz einmal im Kuratorium der Stiftung aneinander. Da hat 1996 gerade Willy Brandts Witwe Brigitte Seebacher-Brandt einen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie Beitz unter Zuhilfenahme einiger Küchenpsychologie vorwirft, er sei das Musterbeispiel eines »geliehenen Ichs«, der aufgrund einer schwachen Persönlichkeit in die Identität Stärkerer, in diesem Falle der Familie Krupp, schlüpfe. Der Artikel ist der Rede eigentlich nicht wert,

Weitere Kostenlose Bücher