Berthold Beitz (German Edition)
deutsche Wertarbeit herstellt. Im Teheraner Finanzministerium unterschreiben Beitz und Wirtschaftsminister Huschang Ansari den Vertrag: Die Perser erhalten nun 25,01 Prozent der Anteile an der Fried. Krupp GmbH. Alles in allem fließen dem Konzern ab 1974 rund 1,3 Milliarden D-Mark zu – seinerzeit eine gewaltige Summe. »Wir hatten«, erklärt Berthold Beitz im Rückblick, »einen neuen Partner und viel Geld, und wir waren vollkommen schuldenfrei.« Wem hätte es genützt, wenn der Konzern pleite gegangen oder erneut in den Würgegriff der Banken geraten wäre? Letzteres ist nach den traumatischen Erfahrungen von 1967 Beitz’ größte Furcht. »Die Banken wollten uns damals das Genick brechen. Aber sie haben nicht gewusst, dass der Beitz so schlau war, nach Persien zu fahren und mit dem Schah zu reden.« Die Iran-Manöver von 1974 und 1976 haben Krupp denn auch in der Tat zunächst einmal von den Banken unabhängig gemacht. Keine Schulden, keine Zinsen, keine Abhängigkeiten von den Geldmenschen. Der Preis dafür, so Beitz, sei nicht zu hoch gewesen. »Es ist mir nicht leicht gefallen, nach 165 Jahren einer hundertprozentigen Eigentümerschaft den Konzern zu öffnen«, sagt er schon nach seiner Heimkehr 1976 in Essen. »Aber über uns haben wir jetzt einen Baldachin.«
Beitz weiß, dass der Kaufpreis, den er ausgehandelt hat, mehr als gut war. Ein Jahr später sagt er im Gespräch mit Golo Mann: »Herr Mann, eine Aktie mit dem Nennwert von 525 Prozent an den Schah zu verkaufen, das ist so, als ob Sie den Eskimos eine Million Kühlschränke verkaufen würden. Das war ein Kunststück.« Der Schah habe »den Namen, die Idee« erstanden, den Namen und die Idee Krupp, und das war ihm viel Geld wert. »Und diese großen Bankiers hier haben alle damit gerechnet, dass wir 220, 230 bekommen. Und als ich ihnen erzählte, das ist verkauft worden, haben sie gesagt, na ja, wenn wir ganz hoch greifen, waren es vielleicht 300.«
Bald darauf aber, 1978, wankt die Herrschaft des Kaisers bereits, ein Jahr später ist sie am Ende. Sie weicht der Islamischen Revolution unter dem Ayatollah Chomeini. Reza Pahlevi flüchtet aus dem Land. Viele Vertreter westlicher Firmen in Teheran hatten gehofft, die Panzer des Schahs würden die Aufrührer von der Straße jagen. Stattdessen, schreibt Scholl-Latour, »hißte selbst die Kaiserliche Garde, der Stolz des Schah, die Unsterblichen, wie er sie nannte, die weiße Fahne, als ein wirrer Haufen von kaum bewaffneten Fedayin gegen ihre Kaserne losstürmte«.
Am 11. Februar 1979 erhält Beitz die Nachricht, der Schah sei soeben gestürzt worden. Eine Weile macht man sich ernste Sorgen im Konzern: Zwar ist die letzte Rate aus Persien noch bei Krupp eingegangen, aber dafür übernehmen nun die neuen Machthaber die Sperrminorität von 25,01 Prozent der Anteile. Was werden sie damit anfangen? Zum allgemeinen Erstaunen setzen sie ihr Engagement bei Krupp fort, als sei nichts geschehen. Als Vertreter im Aufsichtsrat entsendet Teheran später Mohammed Mehdi Navab-Motlagh, den ersten Botschafter der Revolutionsregierung in Bonn. Er hat in Deutschland Examen gemacht, »ein tüchtiger, hochbegabter, guter Mann«, sagt Beitz. Pressionen wird es erst später geben – seitens der Bush-Administration, die den Iran nach dem 11. September 2001 als Terrorstaat einstuft. Konzerne mit größeren iranischen Anteilen laufen nun Gefahr, in den USA keine staatlichen Aufträge mehr zu erhalten. Krupp, inzwischen mit Thyssen fusioniert, ist daher 2003 gezwungen, durch teure Ankäufe Teheraner Aktien die Beteiligung des Gottesstaats auf unter fünf Prozent zu senken. Zwei Jahre später kauft die Krupp-Stiftung diese Aktien auf, als Beitz ihren Anteil am Gesamtkonzern energisch ausbaut.
DAS HAUPT DES UNGEHEUERS:
IMMER NEUE VORSTÄNDE
Das persische Geld wird in jedem Fall zu einer Art Überlebensversicherung für Krupp. Trotzdem kommt der Konzern nicht in ruhiges Fahrwasser. Beitz und Mommsen, die auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken, beginnen sich aneinander zu reiben, auch wenn der Aufsichtsratschef gern erklärt, entsprechende Gerüchte seien »wie das Ungeheuer von Loch Ness, es taucht jedes Jahr wieder in den Zeitungen auf«. Beitz, von jeher auf unbedingte Krupp-Treue bedacht, verübelt seinem Vorstand die zahlreichen Mandate in anderen Unternehmen; außerdem rivalisieren die beiden, meist unausgesprochen, wem die größeren Verdienste im Ostgeschäft und beim Iran-Deal zukommen. 1975 scheidet
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