Berthold Beitz (German Edition)
München zu; bei dem Überfall auf die israelische Olympiamannschaft und dem missglückten Befreiungsversuch des Bundesgrenzschutzes auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck sterben insgesamt 17 Menschen: elf israelische Athleten, ein deutscher Polizist und fünf Palästinenser. Während Tröger noch mit den im olympischen Dorf verschanzten Terroristen verhandelt hat, ist Beitz aus Kiel nach München geflogen. Im IOC herrscht nach dem Debakel der gescheiterten Befreiungsaktion tiefe Depression. Anfangs waren die Wettkämpfe sogar weitergelaufen, dann wurden sie unterbrochen. Nun müssen die Verantwortlichen entscheiden, ob sie die Spiele fortsetzen wollen: Ist ein Abbruch nicht ein Triumph des Terrors? Ist es eine Verhöhnung der Opfer, einfach weiterzumachen? Für Tröger ist letztlich ausschlaggebend, dass »uns auch jüdische Freunde dazu geraten haben und die israelische Regierung die Weiterführung befürwortet hat«. Schließlich verkündet Avery Brundage: »The games must go on« – die Spiele müssen weitergehen. Willi Daume begründete die Entscheidung mit dem Satz: »Es ist schon so viel gemordet worden – wir wollten den Terroristen nicht erlauben, auch noch die Spiele zu ermorden.« Im Zuge der erhitzten Debatte über die Frage, was nun die angemessene Reaktion sei, unterstützt auch Beitz die Fortsetzung. Für die Kieler Wettbewerbe zuständig, gerät er mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg in eine scharfe Auseinandersetzung. Der CDU -Politiker spricht sich entschieden dafür aus, die Wettbewerbe sofort zu beenden. Beitz hält ihm entgegen: »Das sind nicht Ihre Spiele, sie gehören dem IOC . Die Gastgeber sind wir!« Und die Spiele müssen weitergehen, findet das IOC . In Kiel enden sie nicht mit der geplanten großartigen Abschlussparty, sondern mit einer schlichten Feier in Schilksee, auf der neben IOC -Präsident Avery Brundage auch Beitz spricht: »Kiel ist gelaufen. Jubel und Trauer klingen nach.«
»DIESE IDIOTEN«:
ZWISCHEN SPORT UND POLITIK ( 1980–1988 )
Die Spiele werden auch künftig nicht das sein, was Beitz sich wünscht und was sie in der griechischen Antike einmal waren – eine Zeit der Versöhnlichkeit in einer konfliktgeladenen Welt. Denn schon 1980 ist tatsächlich die UdSSR Gastgeber der olympischen Gemeinschaft, wie es Brandt auf Sylt acht Jahre zuvor als Möglichkeit angedeutet hat. Doch 1979 haben sowjetische Truppen den unruhigen Frontstaat Afghanistan besetzt, um die sozialistische Regierung in Kabul zu retten und dem Westen die eiserne Faust zu zeigen. Die Zeit der Entspannung scheint sehr weit fortgerückt zu sein. Die USA und die Nato erleben einen Rückschlag nach dem anderen: Auf die Niederlage der Amerikaner in Vietnam 1975 folgt der Verlust des gesamten Indochina und aller portugiesischen Kolonien an kommunistische Rebellen; 1979 nehmen islamistische Fanatiker mit voller Rückendeckung des iranischen Regimes die Botschaftsangehörigen der USA in Teheran als Geiseln.
Die Invasion in Afghanistan verschärft die Konfrontation der Weltmächte. Zu Beitz’ Entsetzen fordert die US -Administration um Präsident Jimmy Carter im Januar 1980 einen Boykott der Moskauer Spiele. Beitz hält das für eine sinnlose Symbolhandlung – ausgerechnet zu Lasten des einzigen »Bewährungsfelds für Toleranz und Freundschaft über politische, rassische und religiöse Grenzen hinweg« – das ist sein Verständnis von Olympia.
In dieser Zeit hält der sowjetische Botschafter in Bonn, Juli Kwizinski, in seinem Tagebuch ein aufschlussreiches Gespräch mit Berthold Beitz fest. Obgleich der Russe die Dinge ganz offensichtlich mit Freude zuspitzt, ist es doch höchst aufschlussreich zu lesen, wie sehr sich der Krupp-Chef noch immer als Fürsprecher Osteuropas empfindet. Der Russe erlebt Beitz im Mai 1980 bei einer Festveranstaltung der British Petroleum. Bei dem Festakt ärgert sich der Krupp-Aufsichtsratschef im Gespräch mit dem Russen über die Absicht der von Schmidt geführten Bundesregierung, sich dem US -Boykott anzuschließen. Kwizinski schreibt: »Bezüglich der Olympiade wurde Beitz ganz emotional und meinte, er habe ›diese Idioten‹ von der Regierung gewarnt, sie würden alleine dastehen. Sie hätten aber nicht auf ihn gehört und ihm geantwortet, alle Welt werde es der Bundesrepublik gleichtun.« Carters Boykott-Plan sei »billiges Showgehabe«.
Beitz hat noch keinen Konflikt mit der Politik gescheut und tut es auch diesmal nicht. Er ist so aufgebracht,
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