Berthold Beitz (German Edition)
Sportbundes und 1980 Sprecher der Athleten, die lauthals gegen den Boykott protestieren, fühlt sich von den vielen Kritikern gleichsam dafür beschuldigt, »daß in der Sowjetunion Kinder sterben und Menschen hungern und es politische Gefangene gebe«. Anonyme Anrufer bedrohen ihn: »Du Kommunistenfreund!« Und die stockkonservative Neue Bildpost schmäht Beitz: »Auf welchem Stern leben Sie? Haben Sie die verheerenden Folgen der Hitler-Olympiade von 1936, die zwar Krupp Aufträge, dem deutschen Volk aber millionenfaches Leid bescherte, vergessen?« Auch er erhält Schmähbriefe gegen »blutige Medaillen«.
Egon Bahr, Veteran der Entspannungspolitik, appelliert an die Olympiafunktionäre und vor allem an Daume, Beitz und den Sportbund-Vorsitzenden Willi Weyer, sich Schmidt entgegenzustellen: »Das Bündnis mit den Amerikanern wird nicht gefährdet, wenn sich unser NOK wie das britische oder niederländische verhält.« Weyer, auch FDP -Politiker, wechselt indes auf Schmidts Seite, was Beitz heftig erzürnt: »Warum und wie er das getan hat, darüber kann vielleicht einmal ein Politologe eine Doktorarbeit schreiben.« Tröger glaubt heute, »dass Weyer die Fronten gewechselt hat, um die Position des Deutschen Sportbundes gegenüber dem NOK zu stärken. Außerdem war er dem Druck aus Bonn nicht gewachsen.« Letzteres gilt freilich auch für das Nationale Olympische Komitee, das der Spiegel als »buntes Gremium aus betuchten Industriellen, ehemaligen Olympia-Helden und ausgedienten Politikern« beschreibt. Beitz, Tröger und die anderen Boykottgegner setzen am 15. Mai 1980 im Düsseldorfer Interconti-Hotel auf eine Kampfabstimmung – und verlieren sie mit 40 zu 59 Stimmen. Für Tröger war es »eine unerwartete Niederlage. Aber die Bundesregierung hat die Delegierten auch massiv bedrängt und sogar gedroht, dem NOK die Mittel für die Fahrt der Sportler nach Moskau zu streichen.« Die Unterlegenen lassen ein juristisches Gutachten erstellen, das zu dem erwünschten Ergebnis gelangt, der Beschluss der NOK -Mitgliederversammlung vom 15. Mai 1980 sei unwirksam: »Er verstößt gegen die Satzung. Text und Geist der Satzung verlangen die Teilnahme an allen Olympischen Spielen. Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen, insbesondere nicht aus politischen Gründen.«
Es hilft alles nichts mehr, die Sache ist verloren. Die Bundesrepublik, Norwegen und die Türkei sind die einzigen Nato-Staaten, die keine Athleten nach Moskau entsenden. »Das war natürlich kein Zufall«, sagt Helmut Schmidt im Rückblick. »Alle drei Staaten hatten die sowjetischen Truppen direkt vor der Haustür. Wir waren unmittelbar auf die amerikanische Beistandszusage angewiesen. Deshalb haben wir nachgegeben.« Der Kanzler hat ein weiteres Problem: »Ich konnte die Gründe meiner Entscheidung ja nicht öffentlich erläutern, auch Herrn Beitz nicht, dessen Ärger ich durchaus verstanden habe. Wenn ich mich über die Hintergründe groß ausgebreitet hätte, hätte Carter schon wegen seines Meinungswechsels sehr schlecht ausgesehen. Also musste ich das alles stillschweigend erdulden.«
Einer aber ist am Ende doch bei den Spielen dabei: Berthold Beitz. Nur als Zuschauer zwar, aber dafür einer der demonstrativen Art. Er fordert die Bundesregierung heraus, als er mit seinem guten Bekannten, dem zeitweiligen sowjetischen Außenminister Valentin Falin, das Pressezentrum der Spiele in Moskau besucht. Und im Hafen von Tallinn, wo er die Segelwettbewerbe eröffnen wollte, liegt unter voller rot-weiß-goldener Flagge die stolze Germania VI wie ein Symbol dafür, dass die Gastgeber von den Deutschen nicht ganz verlassen sind.
Für Beitz und Daume hat der verlorene Kampf um die Teilnahme an den Spielen ganz unterschiedliche Konsequenzen. Daume muss seinen Traum begraben, Präsident des IOC zu werden. An seiner Stelle wird 1980 der etwas undurchsichtige Juan Antonio Samaranch gewählt, ein ehemaliger Anhänger der Franco-Diktatur und erster spanischer Botschafter in Moskau. Er wird noch manches Mal mit Beitz die Klingen kreuzen, auch wenn sie gemeinsam vieles auf die Beine stellen. Berthold Beitz wiederum wird nämlich 1983, ein Jahr vor den Spielen in Los Angeles, auf dem IOC -Kongress im japanischen Sapporo zu einem der drei IOC -Vizepräsidenten gewählt – von einer Mehrheit des Gremiums, die ganz offensichtlich ein Gegengewicht zum überbordenden Ego Samaranchs schaffen will und dessen Wunschkandidaten ablehnt.
1984 revanchieren sich die Sowjets für Moskau. Mit
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