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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Beitz ist recht sicher, dass dieser Tag niemals kommen wird.
    Das gewachsene Selbstbewusstsein des SED -Staates erleichtert es der SED im Übrigen, im Westen um Bündnispartner für ihre »Friedenspolitik« zu werben, etwa um die Friedensbewegung. Beitz ist diese Gefahr der Vereinnahmung bewusst. Zur Nachrüstungsfrage äußert er sich nicht, wohl aber, wie zwanzig Jahre zuvor, zur Vorreiterrolle des Handels. In der Süddeutschen Zeitung schreibt er dazu 1984 in einem Gastbeitrag für eine große Sowjetunion-Beilage, dass »Arbeitsteilung das Einkommen und den Wohlstand aller an diesem Handel beteiligten Länder fördert« und dass »Kontinuität in wirtschaftlichen Kontakten eine Krise der politischen Beziehungen mildern könnte« – wie damals in »den Jahren des Kaltes Krieges«. Bis 1985 wahrt Honecker, was in Bonn genau verfolgt wird, bei aller demonstrativen Linientreue eine gewisse Eigenständigkeit von Moskau. Gerade in der Raketendebatte ist er, in Nuancen, moderater als die Russen – ein nuklearer Schlagabtausch mit Mittelstreckenraketen, das weiß er, würde sein Deutschland auslöschen. Erst durch Gorbatschow, durch Glasnost und Perestroijka, durch die Reformer im Kreml wird er immer rascher ins Hintertreffen geraten, bis er schließlich beim Besuch des sowjetischen Staatsratsvorsitzenden zur 40-Jahr-Feier der DDR am 6. Oktober 1989 nur noch wie ein Fossil des orthodoxen, zu jeder Wandlung und Reform unfähigen Kommunismus wirkt. »Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren«, sagt Gorbatschow in Ostberlin nach dem sozialistischen Bruderkuss mit Honecker. Daraus wird in der Öffentlichkeit der legendäre, prägnante Satz: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.« Für die SED wird es der Todeskuss sein.
    Solange die DDR aber jene unverrückbare Realität zu sein scheint, für die sie die allermeisten Westdeutschen in den achtziger Jahren halten, nutzt Beitz seinen guten Draht nach drüben so, wie er es früher mit Warschau und Moskau gemacht hat: Er holt Leute heraus.
    In vielen Fällen wendet sich Beitz direkt an Ewald Moldt, den Leiter der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar«, schreibt er ihm beispielsweise im November 1983, »wenn Sie sich einmal erkundigen könnten, ob eine Möglichkeit besteht, diesen jungen Leuten zu helfen.« So können einige DDR -Bürger ausreisen, die Familie im Westen haben. Ein anderer Fall ist der frühere DDR -Bürger Karl-Heinz K., der 1958 in den Westen geflohen ist. 1982 verlobt er sich mit einer Frau aus Halle, aber wie er befürchtet hat, lassen die DDR -Behörden sie nicht ausreisen. Nach vielen fruchtlosen Eingaben schreibt er an Beitz: »Ich komme mir hilflos vor. 1½ Jahre sind eine verdammt lange Zeit.« Tatsächlich gelingt es Beitz kurz nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Greifswald, die Verlobte freizubekommen. K. schreibt: »Meine Verlobte ist seit dem 7.1.1984 in der Bundesrepublik … Über eine solche Entwicklung glaubte ich kaum in meinen kühnsten Träumen zu denken.«
    Ein menschliches Drama ist auch der Fall des Ehepaars R. aus Suhl. Wolfgang R., Chefarzt an einer Klinik, ist 1982 von einem Besuch bei seiner pflegebedürftigen Mutter in der Bundesrepublik nicht zurückgekehrt. Er will sich um die alte Dame kümmern. Seine Frau aber ist von nun an dem Psychoterror der Stasi ausgesetzt: Hausdurchsuchungen, Verhöre der Nachbarn, Reiseverbot. »Meine Frau und ihre Familie werden psychisch unter Druck gesetzt und gequält«, schreibt Wolfgang R. an Beitz. Nach einem Vierteljahr bekommt Beitz Frau R. über Moldt wieder frei; die Ständige Vertretung der DDR ruft ihn direkt an: »In der Angelegenheit R. wurde am 12. April 1984 die Ausreisegenehmigungerteilt.« Bereits einen Tag später verlässt Gisela R. die DDR .
    Im Oktober 1983 schickt Berthold Beitz Moldt »zu den bereits überreichten Vorgängen noch einen Nachzügler«. Hier geht es um eine große Liebe zwischen Hamburg und Greifswald, die es nach den Vorstellungen der SED nicht geben darf. Der Hamburger Klaus-Dieter O. hat bei einer DDR -Reise Jana Z. kennengelernt, ein Mädchen aus dem Kreis Greifswald. An Beitz schreibt er: »Wir lieben uns sehr und wünschen uns nichts sehnlicher, als heiraten und eine Familie gründen zu können.« Doch gegen die »heimtückische Verzögerungsstrategie« der DDR -Behörden kommt das Paar nicht an. Jana Z. darf nicht ausreisen, ihr Verlobter nicht mehr in die DDR kommen. Selbst eine Heirat in

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