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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Enttäuschung, dass er in Bonn mit Ehren empfangen worden war und jetzt wie der letzte Dreck behandelt wurde«, wie der Geistliche später sagen wird. Der schwer krebskranke Honecker sagt in dieser Zeit: »Ich hätte das mit Kohl nicht gemacht.« Auf ihn wartet der Prozess, aus seiner Sicht Klassen- und Siegerjustiz. Beitz selbst hat unter Vermittlung des DDR -Rechtsanwalts Wolfgang Vogel geholfen, diese Notunterkunft zu finden: »Ich habe den Pastor gebeten, ihn unterzubringen.« Als Gegengabe schenkt er der Kirche einen VW -Bus für die behinderten Kinder, die in Lobetal betreut werden. Er schreibt Honecker noch einen Brief und bietet ihm über Vogel Hilfe an: Er, Beitz, sei bereit, die Honorare von Honeckers Verteidigern zu übernehmen. »Rechtsanwalt Vogel hat mir gesagt«, erinnert sich Beitz später, »als Honecker den Brief gelesen hat, habe er geweint.« Doch Honecker nimmt die Offerte nicht an.
    Beitz’ Neigung, unbeeindruckt vom Zeitgeist eigene Wege zu gehen, bringt seine Umgebung auch in der Causa Honecker mitunter in nervenaufreibende Situationen – so etwa Jürgen Claassen. 1993 organisiert der Pressechef von Krupp die Pressearbeit zu Beitz’ 80. Geburtstag und lotst Berthold Beitz und ein Fernsehteam durch die Gartenwege rings um die Villa Hügel. Auf einer Parkbank mit dem passenden Blick auf das Anwesen lässt sich der Stiftungschef nieder; doch anstatt Anekdoten aus seinem bewegten Leben zu erzählen, kommt er auf Erich Honecker zu sprechen. Der früher so mächtige Politiker ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Er lebt im chilenischen Exil, gezeichnet von einem Tumor, Heilung wird es nicht mehr geben. Wenn Erich Honecker jetzt nach Deutschland zurückkäme, sagt Beitz nun, »dann könnte er mit seiner Frau bei mir zu Hause wohnen, so lange er lebt. Ich würde ihn aufnehmen.« Er kenne ihn gut und habe dank Honecker auch einige Leute aus der DDR herausholen können. Die Fernsehleute sind elektrisiert: »Können wir das heute Abend senden? Geben Sie diese Aussage frei?« Claassen hofft inständig, Beitz werde nun zurückrudern, dabei weiß er eigentlich, dass das nicht geschehen wird. »Ja«, sagt Beitz dann auch, »senden Sie das ruhig.«
    Das ist freilich nicht die Art von Nachricht, die ein Kommunikationschef gern an die Medien weiterreicht: Beitz, der Konzernpatriarch, gründet eine Wohngemeinschaft mit Erich Honecker. Claassen nimmt Beitz daher noch im Park beiseite: »Herr Beitz, lassen Sie uns darüber noch mal reden …« Beitz aber bleibt zunächst stur, und Claassen stellt sich schon auf eine Flut von Telefonaten am folgenden Tag ein. Gegen 18 Uhr, zwei Stunden vor der Sendung, klingelt sein Telefon. Es ist Beitz: »Ach, Herr Claassen, vielleicht haben sie recht. Die sollen das doch nicht bringen.« Die Gespräche, die der junge Krupp-Mann in der folgenden Stunde führen muss, sind lebhaft. Aber am Ende verzichtet die Redaktion auf den Beitrag.
    Beitz wird Erich Honecker nicht wiedersehen. Im folgenden Jahr, am 29. Mai 1994, stirbt der ehemalige DDR -Staatschef in Santiago de Chile. Der Spiegel -Journalist Norbert F. Pötzl schreibt über den letzten Akt eines deutschen Dramas: »Der Atheist Erich Honecker wird auf dem Zentralfriedhof von Santiago, weil es landesüblich ist, unter einem Christusbild aufgebahrt. Eine DDR -Fahne verdeckt das Kruzifix auf dem Sarg.«

Tausend Feuer, Ofen aus: Rheinhausen
    DER DRACHE UND DIE FUNKEN:
ERINNERUNGEN IM »REICHSADLER«
    Es ist nicht leicht, in Nordrhein-Westfalen jemanden zu finden, der eine schlechte Meinung von Berthold Beitz hat. Selbst langjährige Widersacher grummeln immerhin respektvoll, wenn sein Name fällt. Man muss also suchen und weit fahren – bis in die Gaststätte »Zum Reichsadler« in Duisburg-Rheinhausen, eine Eckwirtschaft mit Holztäfelung und Rundbogenfenstern, rauchverhangen, die Musikbox dudelt Schlager: »Irgendwann, da war es Liebe, vielleicht sogar ein bisschen mehr …« Helmut Laakmanns große Liebe war das Stahlwerk Rheinhausen. Der »Reichsadler« steht an der Atroper Straße, nicht weit von dort, wo einst das Tor I des Werks war. Nach Schichtende standen die Männer hier einst dicht an dicht, oft bis hinaus auf die Straße, die Bedienung gab Pils, Schnitzel und Buletten einfach vom Tresen aus durch, und die Arbeiter reichten die Tabletts über ihre Köpfe weiter. Es war eng, es war laut, es war Heimat.
    Alles vorbei, lange her. Innen in der Wirtsstube sitzt Helmut Laakmann beim Pils, und der Zorn blitzt in

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