Berthold Beitz (German Edition)
zurück. 1982, berichtet Großmann an anderer Stelle, habe Beitz einen »privaten Wunsch« vorgetragen: Er möchte die Gräber seiner Vorfahren besuchen. So kommt die eingangs erwähnte Reise zustande. Glaubt man Großmann, war er es, der die alte Handwasserpumpe aus dem elterlichen Garten in Zemmin nach Essen schaffen ließ: »Auch das erledigen wir.«
Die Aufmerksamkeit der Stasi weckt Beitz freilich auch aus ganz anderen Gründen. Ihre Agenten und IM s überwachen jede der elf Reisen, die Beitz zwischen 1980 und dem Mauerfall in die DDR führen. Zwar sind sie angehalten, den Gast nicht zu behelligen: »Beitz und seine Begleitung sind bevorzugt und höflich abzufertigen«; »B. führt 2 Jagdwaffen mit, hier sind keine weiteren Maßnahmen durchzuführen«. Trotzdem späht man ihn aus Autos und Verstecken aus, als ginge es um eine große Operation gegen konterrevolutionäre Kräfte. Die Stasi-Akten, die Beitz nach der Wende 1989 einsehen wird, verraten viel über das Spitzelwesen und den aus allen Rudern laufenden Überwachungsstaat. Endlose Seiten von Beobachtungsprotokollen über das Team der GermaniaVI , die an Dutzende von Dienststellen weitergeleitet werden, ohne jeden Erkenntniswert. Vor einer Ostseereise von Beitz Anfang Juli 1986 heißt es da etwa: »Zielgerichteter Einsatz aller geeigneten IM / GMS zur Sicherung der im Rahmen des Aufenthaltsprogrammes genutzten Objekte des Verantwortungsbereichs« oder »Verhinderung des Auftretens von Demonstrativtätern sowie des Wirksamwerdens anderer feindlich-negativer Personen, insbesondere solcher, die die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin erreichen wollen.«
Alle Personen, die Beitz auf dieser Reise trifft – alte Schulfreunde, Bekannte, Zufallsbegegnungen –, werden »aufgeklärt«. Zu Zwischenfällen kommt es nicht, sieht man davon ab, dass sich »ein Angehöriger der Crew des Dr. Beitz ›großspurig‹ verhielt«. Im Folgenden einige Auszüge aus dem »Beobachtungsbericht« der Bezirksverwaltung Rostock, Abteilung VIII /4:
»06.07.1986, Hiddensee: Zum Abschluss des Essens verabschiedete er (das Crewmitglied von Dr. Beitz) sich von der Kellnerin K. mit einem Küsschen.« Beitz, so notieren die Geheimdienstleute weiter, »entschuldigte sich beim FDGB -Objektleiter mit folgenden Worten: ›Die Besatzung hat lange keine Frauen gesehen, man müßte dies verstehen‹.«
»06.07.1986, 10:00: … Während des Umsteigens von der Yacht auf die MS ›Delphin‹ trug ein Mitglied der Besatzung eine Kiste Holstenbier …«
»18:13:« Ein verdächtiger Vorgang? »Alle Insassen außer der Fahrer verließen den Bus und betraten das Gebäude des Meereskundlichen Museums. Zu diesem Zeitpunkt wurde Dr. Beitz durch eine männliche Person im Alter von 50–55 Jahren begrüßt.« Was kann sie wollen? »Bemerkung: Bei der männlichen Person handelt es sich vermutlich um den Direktor des Museums.«
Beitz selbst fällt den Beobachtern nicht durch subversive Aktivitäten auf. »Einschätzung zum Objekt: Das Auftreten von Dr. Beitz, B., … war stets höflich und zuvorkommend. Zu den Crewmitgliedern hatte er ein scheinbar herzliches Verhältnis. Anweisungen von Dr. Beitz, B., an die Besatzungsmitglieder wurden sofort ausgeführt, wobei die angesprochenen Personen Haltung annahmen. … Zum größten Teil hatte Dr. Beitz, B., in der Jacke sowie in der Hemdtasche ein Kavalierstaschentuch sichtbar gesteckt.«
Beitz, der von dieser kuriosen Observation nichts mitbekommt, ist gern zu Gast in der DDR – und Gastgeber zu Hause in Essen. Ebenfalls 1986 ist die Villa Hügel Schauplatz einer großen gesamtdeutschen Ausstellung: »Barock in Dresden«. Die Schau mit spektakulären Exponaten aus der sächsischen Glanzzeit Augusts des Starken wird als Sensation wahrgenommen, denn gezeigt werden Schätze, die in Westdeutschland lange nicht mehr zu sehen waren, etwa Gemälde von Rembrandt, Rubens und Tizian sowie Exponate aus dem Grünen Gewölbe. Ausstellungsmacher Werner Schmidt, seinerzeit Direktor des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, sagt später dazu: »Man kann schon sagen, daß die Dresdner Kunstschätze für die Westdeutschen außerhalb ihrer Wahrnehmung lagen. Insofern war die Ausstellung in Essen dann ein Dammbruch« – ein Stück deutsch-deutscher Widerannäherung mit den Mitteln der Kultur des Mäzenatentums, ausgerechnet an diesem symbolträchtigen Ort des deutschen Kapitalismus. Das Ganze ist Beitz’ Werk, entworfen mit Zustimmung Honeckers. Schmidt:
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