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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Greifswald wird abgelehnt. Die ostdeutschen Stellen bezeichnen die Verlobung als »nicht ernst gemeint«. Am 20. Februar ruft Moldts Büro in Essen an: Jana Z. darf ausreisen.
    In wieder einem anderen Fall bittet ein Krupp-Manager um Hilfe. Dessen Tochter hat einen DDR -Diplomaten geheiratet und möchte nun zurück in den Westen, darf aber nicht ausreisen. Beitz versucht es auf den üblichen Wegen, doch die DDR -Bürokratie lässt ihn diesmal auflaufen. Bei der nächsten Begegnung mit Honecker spricht er diesen darauf an: »Sie haben hier ja wohl gar nichts zu sagen in der DDR .« Der Gastgeber, derlei Ansprache auch im Scherz nicht gewohnt, begehrt Aufschluss. Honecker, erklärt Beitz daraufhin, habe ihm doch Entgegenkommen in speziellen humanitären Fragen signalisiert. Und nun? »Sie sagen ja, Ihre Leute sagen nein.« Das wirkt, wie sich Beitz erinnert: »Innerhalb von wenigen Tagen war sie draußen.«
    Als Beitz 1986 auf Einladung Honeckers nach Greifswald segelt, ist die DDR -Küstenwache nicht auf der Höhe der Zeit. Ein Patrouillenboot sichtet die Germania VI , die unter vollen Segeln in die Hoheitsgewässer der Deutschen Demokratischen Republik einläuft. Ein unidentifizierter Eindringling! Das bekommen sie nicht jeden Tag zu sehen, die Grenzer eines Landes, aus dem die meisten Menschen hinaus wollen statt hinein. Jedenfalls rauscht das Boot dem Segelschiff hinterher und setzt die schwarzgelbe Flagge: sofort stoppen. Die Germania VI wird regelrecht aufgebracht, wie man auf See sagt. Ein Offizier entert das Deck und herrscht Beitz an: »Was machen Sie hier? Ihre Papiere!« Beitz fragt erst einmal, wie der Mann heiße, dann sagt er: »Warum halten Sie mich an? Ich bin auf dem Weg nach Greifswald, dort werden wir erwartet.« Der Marinemann, mit Widerspruch wenig vertraut, bellt weiter: »Wer hat Sie eingeladen, wer erwartet Sie?« So erlebt auch Beitz, womit jeder konfrontiert wird, der DDR -Grenzen passiert oder mit ihren Offiziellen zu tun hat – »jenen maskenhaften Ernst, der Ausdruck der Souveränität ihres Staates sein soll«. Was immer der Beamte vermutet haben mag, eine Republikflucht mit Hilfe eines konterrevolutionären Piratenschiffs vielleicht, diese Antwort hat er nicht erwartet: »Rufen Sie doch mal in Berlin an und fragen, wer mich eingeladen hat.« Der Mann, irritiert, funkt den Vorfall durch – schließlich kommt er zurück und sagt nur: »Sie können weiterlaufen.« Eingeladen hatte Honecker persönlich. Als die Germania am Kai von Greifswald anlegt, steht dort ein hoher Offizier und begrüßt den Gast: »Herzlich willkommen in Ihrer Heimat!« Beitz erwidert, ernster als ihm zumute ist: »Ja, Mensch, was heißt hier willkommen? Hier werde ich auf der Ostsee angehalten wie ein Seeräuber!« Den Gastgebern ist der Vorfall sehr peinlich.
    Ein Jahr später, 1987, kommt Honecker in die Bundesrepublik, von Helmut Kohl empfangen wie ein Staatsgast, mit vollem Protokoll. Er stattet dabei auch seiner alten Heimat an der Saar einen Besuch ab. Und er lässt es sich nicht nehmen, Beitz zu treffen, auch wenn das Häuflein Essener Altkommunisten enttäuscht ist: Der Genosse Honecker trifft nicht Arbeiter, sondern deren Bosse, er begegnet Krupp, nicht Krause. Einst hatte die DDR -Fernsehserie Krupp und Krause den Kampf des Werktätigen Fred Krause bei Krupp geschildert, bis zur Verstaatlichung des Magdeburger Firmenwerks. Eine der letzten Folgen hieß »Zerbrochen sind die Ringe«. Nun aber weht das Symbol deutscher Konzernmacht auf Fahnen im Wind, als Honecker auf den Hügel kommt. Er spricht mit Beitz unter vier Augen und sagt anschließend, sein Besuch im Westen zeige »hoffnungsvolle Ansätze für eine Wende zum Besseren«. Wer das Verhältnis von Beitz zu Honecker später kritisieren wird, sollte diese Tage nicht vergessen, in denen kleine Schritte als große innerdeutsche Fortschritte galten und der Ostdeutsche von vielen geradezu hofiert wurde – nur zwei Jahre später war er persona non grata.

    Karikatur aus der Neuen Ruhr Zeitung (Bernd Bruns), 1987
    Das letzte Treffen der beiden spielt sich zwei Jahre später, im Juni 1989, wieder in Greifswald ab. Honecker will Offenheit und Traditionspflege demonstrieren, doch der äußere Rahmen lässt die Götterdämmerung seines Regimes erahnen. Die DDR ist fast am Ende. Sie will die Traditionen wahren, aber ihre historischen Städte verfallen. Greifswald war gegen Ende des Krieges vor allem dank des mutigen Stadtkommandanten Petershagen weitgehend

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