Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
Vom Netzwerk:
seinen Augen, wie damals, vor mehr als zwanzig Jahren, als er alles wagte und alles verlor. »Beitz war der Strippenzieher, Cromme der Killer«, sagt Laakmann. »Die beiden haben Rheinhausen plattgemacht.«
    Das ist eine radikale Sicht der Dinge. Aber Helmut Laakmann ist auch ein radikaler Mann. Im eisigen Winter 1987 war er einer der Köpfe des Aufstands der Stahlarbeiter gegen die Konzernführung – ausgerechnet er, der vom Laufjungen bis zum Betriebsleiter aufgestiegen ist. Er hat heute einen guten Job beim Johanniter-Bund, aber so wie früher wird es nicht mehr sein: Er vermisst die Hitze der Hochöfen, die sprühende Glut beim Anstich. »Das waren Monster, diese Öfen, die haben Funken gesprüht wie ein Drache.«
    Berthold Beitz und Helmut Laakmann weisen bei allen gewaltigen Unterschieden auch manche Eigenschaften auf, die sich nicht unähnlich sind. Beide Männer stammen aus kleinen Verhältnissen, beide sind stark im Willen wie in ihren Glaubenssätzen, und deshalb handeln sie schnell und entschlossen, wenn andere noch zögern. Auch ihre Überzeugungen scheinen gar nicht so weit voneinander entfernt zu sein. Beitz’ Fixpunkt ist das Wohl »der Firma«, wie er sagt, des Krupp-Konzerns und seiner Menschen. Laakmann will Rheinhausen retten zum Wohle von 6000 Arbeitern, Rheinhausen, das doch Teil der Firma ist und noch dazu derjenige, der sogar den Krieg überstanden hat.
    Als die Schließungspläne im Winter 1987 bekannt werden, bleiben die Gewerkschaften erst einmal in Deckung. Am 30. November steht dann Laakmann vor 5000 Kollegen am Mikrofon. Vergesst sie, sagt er, vergesst die IG Metall, vergesst die SPD und die Landesregierung. Vertraut auf eure eigene Kraft. Vor ihm haben Politiker und Gewerkschafter gesprochen, sie haben Brüssel die Schuld gegeben, dem unfairen Stahlmarkt in Europa. Es hat schon viele Reden gegeben, zu viele aus Sicht der Arbeiter; mürrisch streben die ersten bereits Richtung Ausgang. Aber dann ist Laakmann an der Reihe. Er blickt auf ein Meer von Köpfen, Helmen, Fahnen, erwartungsvollen Gesichtern. »Da ist der Helmut«, rufen sie, und die an den Ausgängen bleiben stehen. Der Helmut, der harte Junge von der Walzstraße, der Vorarbeiter, der kein Problem hat, seinen Willen durchzusetzen gegenüber Männern, die doppelt so breit sind wie er, und der doch als ein guter und fürsorgender Kerl gilt; der Helmut, heißt es, der lässt keinen von seinen Jungs hängen.
    Und er wird sie auch jetzt nicht hängen lassen. Laakmann wirkt, für den Moment, wie ein Heerführer aus alten Zeiten, dessen Worte Tausende in ihren Bann ziehen. Und er hält die Rede seines Lebens: »Es kann doch nicht sein, dass eine kleine Clique, eine kleine Mafia, mit den Menschen in diesem Lande macht, was sie will.« Drei Tage vorher stand der neue Krupp-Stahlchef Gerhard Cromme, der Verhasste, im hellen Mantel vor der Belegschaft, und niemand, am wenigsten Laakmann, verschwendete einen Gedanken daran, wie es dem Vorstandschef von Krupp Stahl wohl gehen mochte, der bei seiner Rede von den Arbeitern einfach niedergebrüllt wurde: »Lügner, Lügner, Lügner!« Den sie mit Eiern und Apfelsinen bewarfen, der einen brennenden Galgen mit einer Cromme-Puppe sah und in der Menge vor ihm blanken Hass spürt, den reinen Hass. Und Laakmann ist es nun, der das Feuer weiter schürt: »Ich habe da etwas über Krupp gelesen. Da stand drin, wir hätten jahrelang die linke Wange und die rechte Wange hingehalten. Doch da habe ich noch etwas gelesen, und das könnte in Zukunft unsere Parole sein: Auge um Auge, Zahn um Zahn!« Die Halle tobt. Der Funke hat gezündet. Es ist der Auftakt zu einem der härtesten Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik.
    DER WEG IN DEN KONFLIKT:
CROMME UND DIE STAHLKRISE
    Cromme ist für die Arbeiter, deren Hütte er dichtmachen will, ein Feind wie aus dem Bilderbuch. Er kommt, 1943 im Oldenburger Münsterland geboren, aus einer anderen Welt jenseits der Malocherkultur an Rhein und Ruhr. Das Vermittelnde, Einnehmende, Wärmende, das Berthold Beitz so leicht fällt, ist seine Sache nicht. Er ist ein promovierter, sehr ehrgeiziger, drahtiger Karrieremanager, der in Münster, Paris und Harvard Rechts- und Wirtschaftswissenschaften studiert und ab 1971 einen beeindruckenden Aufstieg im französischen Großkonzern Compagnie de Saint-Gobain geschafft hat. Anfang 1986 hört er Gerüchte, die Traditionsfirma Krupp suche einen neuen Stahlchef. »Vom Stahl habe ich nicht viel gewusst«, erklärt er

Weitere Kostenlose Bücher