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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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soll verkleinert werden, die Profilwalzwerke sollen geschlossen werden, die Belegschaft auf gut 4000 Arbeiter schrumpfen – das alles aber ohne Entlassungen.
    Für die kurz darauf eskalierende Rheinhausen-Krise gibt es viele Gründe. Das Werk ist trotz Investitionen aus jüngerer Zeit in manchen Teilen nicht modern genug, es ist schlecht in die Konzernstruktur integriert, und es leidet unter Managementfehlern. Gleichwohl ist die Krise nicht allein hausgemacht. Seit 1980 haben in der Bundesrepublik 65 000 Menschen ihren Job in der Stahlindustrie verloren. Stahl hat nicht mehr dieselbe Bedeutung wie in den Jahrzehnten des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Auch neue Technologien, etwa in der Autoproduktion, sorgen dafür, dass die Nachfrage sinkt. In den Schwellenländern der Dritten Welt wachsen zudem machtvolle Konkurrenten heran, deren Werke nicht den hohen sozialen und ökologischen deutschen Standards genügen müssen – von den entsprechend hohen Herstellungskosten wie jenen im Ruhrgebiet ganz zu schweigen. Selbst auf Europas Märkten gibt es zu viel Stahl, und andere Staaten der EG , vor allem Frankreich, Belgien und Italien, stützen ihre Werke mit horrenden Milliardensummen. Sie verstoßen damit offen gegen das Subventionsverbot der europäischen Montanregeln, aber das kümmert sie nicht. Sie wollen vermeiden, dass bei ihnen geschieht, was bald in Rheinhausen Wirklichkeit wird. Dagegen haben die deutschen Hüttenwerke keine Chance. Der Markt ist alles andere als frei und fair, und so erweist sich der deutsche Stahl am Ende als immer weniger konkurrenzfähig.
    In Geheimgesprächen mit Mannesmann und Thyssen versucht Cromme daher im Herbst 1987, was überfällig, aber bis dahin stets gescheitert ist: eine Kooperation mit starken Partnern. Die Kruppianer haben seit Beginn der achtziger Jahre mit Hoesch, Thyssen und Klöckner, also drei großen Mitbewerbern, Gespräche über Teilfusionen beim Stahl geführt, in Erkenntnis der alten Weisheit: »Jeder stirbt für sich allein.« Die hochkarätige Runde der »Stahlmoderatoren«, einberufen von der neuen Regierung Helmut Kohls, schlug 1983 vor, die deutschen Stahlwerke in zwei Gruppen zu konzentrieren; Krupp und Thyssen sollten gemeinsam die »Rheingruppe« bilden. Doch Thyssen-Chef Dieter Spethmann mochte der Idee wenig abgewinnen und verlangte eine astronomisch hohe Staatsbürgschaft, die Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff schließlich ablehnte.
    In Sichtweite der Schlote und Hochöfen von Rheinhausen, auf der anderen Rheinseite, steht das Mannesmann-Stahlwerk von Duisburg-Huckingen. Jahrzehntelang haben die beiden Riesen des Industriezeitalters das Gesicht dieser Rheinlandschaft geprägt. Jetzt sind sie die härtesten Konkurrenten, denn es geht ums nackte Überleben. Huckingen mit seiner neuen Kokerei ist in vielen Belangen moderner als Rheinhausen, schreibt aber gleichfalls Millionenverluste. Die Hütte, die Rohstahl für die Röhrenproduktion liefert, ist höchstens zur Hälfte ausgelastet. Sie braucht einen Partner – und so fragt man Cromme, nur wenige Wochen nach der erwähnten Bestandsvereinbarung in Rheinhausen. Cromme erkennt die einmalige Chance, aus der Stahlmisere herauszukommen: Wenn Krupp seinen Rohstahl aus Huckingen bezieht statt aus Rheinhausen, wäre die Hütte dort wieder voll ausgelastet, und er kann den Verlustbringer Rheinhausen schließen.
    Deshalb plant er nun den Befreiungsschlag. Er wird damit einen Ruf begründen, der ihm seither anhängt, den des »eiskalten« Managers. Aber so kalt das Licht auch sein mag, das er auf die Zahlen von Rheinhausen werfen lässt, so eindeutig ist, was diese Zahlen bedeuten: Jeden Tag macht das Stahlwerk mehr als eine halbe Million Mark Verlust. Kein Konzern kann das aushalten, sagt Cromme schließlich zu Beitz, als er ihn im Spätherbst 1987 mit dem Vorhaben konfrontiert, die Hütte dichtzumachen; und Krupp kann es ganz sicher nicht. »Rheinhausen war leider nicht zu halten«, sagt auch der frühere nordrhein-westfälische SPD -Ministerpräsident Wolfgang Clement, »die ökonomische Lage und die Stahlkrise haben die Schließung einfach erfordert.«
    Wieder einmal fasst Berthold Beitz ganz intuitiv einen Entschluss: Er gibt dem Stahlchef freie Hand. Beitz hat sich stets dem sozialen Erbe Alfried Krupps verpflichtet gefühlt; er hat ihm einst selbst Werksschließungen vorgeschlagen, die der letzte Alleininhaber meist mit der Bemerkung abgelehnt hat, dann müssten andere Betriebsteile eben mehr verdienen. Nun

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