Berthold Beitz (German Edition)
Dachluken zugenagelt. Davor erstreckt sich nun Logport, ein von 1999 an errichtetes Logistikzentrum mit Containerterminal, Hafen und eigenem Bahnanschluss, eine Erfolgsgeschichte für sich, die heute schon über 2000 Arbeitsplätze geschaffen hat. Die meisten Arbeiter aus Rheinhausen werden am Ende unterkommen, viele im Logport, aber mehr als 2000 allein auf der anderen Rheinseite in der Huckinger Hütte. Etwa 1000 wählten den vorgezogenen Ruhestand. 1991 sagt Cromme in einem Spiegel -Interview: »Noch in meiner Amtszeit bei Krupp Stahl ist keiner durch betriebsbedingte Kündigungen entlassen worden. Das konnte durch Sozialpläne immer vermieden werden, und darauf bin ich ganz besonders stolz.« Auch das ist ein Teil der ansonsten traurigen Geschichte von Rheinhausen, nur wird er nicht so oft erwähnt.
Für das Ruhrgebiet und seine alten Industrien bleibt »Rheinhausen« der Inbegriff des Niedergangs, eine triste Chiffre für eine Welt, die verschwindet und niemals wiederkommen wird. Für Berthold Beitz bedeutet das Kapitel einen der schlimmsten Momente seiner langen Karriere – und doch auch den Beginn des Wiederaufstiegs von Krupp.
Die Schließung des Traditionswerkes gefährdet zwar nicht die Existenz des Konzerns – wie die Finanzkrise von 1967 –, eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall, sie ist der erste Schritt zur Lösung des Problems. Dennoch trifft ihn Rheinhausen ins Mark. »Es war leider nötig, aber sehr schmerzhaft«, sagt Beitz heute, »und Gerhard Cromme hat das sehr gut gemacht.« Bei jeder großen Entscheidung nach dem Tod von Alfried Krupp hat sich Beitz gefragt: Wie hätte er darüber gedacht? Was hätte er an meiner Stelle getan? Und eigentlich hat er die Frage für sich fast immer so beantwortet, unabhängig vom Ausgang: Er hätte es nicht anders gemacht. Nur ein Mal nicht. »Nein«, sagt Beitz, »Alfried Krupp hätte der Schließung Rheinhausens nicht zugestimmt.«
1989 : EIN ABSCHIED, DER KEINER IST
Die große Krupp-Krise ist 1988, mit dem Ende des Streiks in Rheinhausen, noch nicht ausgestanden. Die dramatischen Ereignisse am Rhein haben die Öffentlichkeit auf den wankenden Koloss aufmerksam werden lassen, mehr als es dessen Leitung lieb sein kann. Denn die Lage von Krupp ist insgesamt wenig erfreulich. Der Stahl, das alte Kerngeschäft: ohnehin ein Verlustbringer. Der Bau von Großanlagen, sonst eine sichere Bank: zu konjunkturabhängig. Der Einstieg in neue Technologien, in das sich abzeichnende elektronische Zeitalter: verpasst. Ökologisches Know-How: nicht konkurrenzfähig. Und wie in Alfried Krupps Zeiten tanzt der Konzern auf vielen Hochzeiten, zu vielen in den Jahren der Krise. 1987, kurz vor der Rheinhausen-Krise, ätzt das manager-magazin : »Die Firma hat von allem etwas, sie ist ein riesiger Kramladen fürfast alles – und fast nichts wird richtig gemacht.« Schuld daran sei der Herr auf dem Hügel, so das Wirtschaftsblatt in einer scharfen Attacke gegen Beitz: »Scheider muß immer auf den alten Mann in der Stiftung schielen. Was der will, ist letztlich entscheidend.«
Wie Krackow, Mommsen und Petry vor ihm steht Scheider im Schatten des Aufsichtsratschefs und hat nicht die Kraft, seine Autonomie erfolgreich zu verteidigen. Beitz wiederum sieht kein Problem darin, seinen Vorständen energisch dazwischenzufahren – etwa, wenn er mit Rücksicht auf die Belange der Arbeitnehmer Scheider über Jahre daran hindert, die Krupp’sche Traditionswerft AG Weser abzustoßen, die Verluste einfährt. Außerdem wird der Aufsichtsrat von alten Beitz-Vertrauten dominiert, wie Max Grundig, Hans Leussink und Walter Hesselbach. Das alles ist durchaus nicht unproblematisch; falsch ist es aber, Beitz die Hauptschuld für die Flaute der achtziger Jahre zu geben. Das operative Geschäft betreibt nämlich der Vorstand, und von dem kommen keine neuen Konzepte, sondern nur viele »kleine Taten« ( manager-magazin ).
So sind längst Schatten auf das Verhältnis zwischen Beitz und Scheider gefallen. Aus Pommern stammend wie Beitz, hat der Vorstandschef eine Zeitlang sogar als dessen möglicher Nachfolger gegolten und ihn 1982 auf die sehr persönliche DDR -Reise begleitet. In der Resch/Gödde-Krise hat er zeitig durchgegriffen und Beitz den Rücken gestärkt. Dennoch ist das Verhältnis der beiden Männer 1988 schon stark gespannt, auch wenn sie nach außen hin Einigkeit demonstrieren. »Wir wollen«, so Beitz in einem Interview, »gemeinsam eine Sache verrichten, die vorzeigbar ist.« Im
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