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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Königsallee, eine der teuersten Einkaufsstraßen der Republik, mit ihren Juwelieren, Modegeschäften und feinen Restaurants – aus Sicht der einen nobel und elegant, aus Sicht der anderen der Inbegriff jenes neureichen Wesens, das man Düsseldorf gern nachsagt. In einer Nebenstraße der Königsallee findet man das Sterne-Restaurant »Victorian«.
    Hier wird nach Ostern 1997 in der Beletage regelmäßig ein Tisch am Fenster reserviert, der abgelegen genug ist, um diskrete Gespräche zu erlauben. Und hier sieht man mittags zwei gut gekleidete alte Herren sitzen, die augenscheinlich ernste Dinge bereden. Der Sommelier hat nichts zu tun, die beiden trinken keinen Wein. Sie brauchen einen klaren Kopf. Sie kommen allein, ohne Juristen, Analysten, Referenten. So hat das Schicksal Berthold Beitz und Günter Vogelsang erneut zusammengeführt, zwei Männer, die in der Vergangenheit häufig die Klingen gekreuzt haben und nun, im fortgeschrittenen Alter und als Ehrenvorsitzende ihrer jeweiligen Aufsichtsräte – Beitz bei Krupp, Vogelsang bei Thyssen –, wieder zu jener Gemeinsamkeit zurückfinden, die sie einst in den fünfziger Jahren verbunden hat. Ihre Mission ist die Rettung des Ruhrstahls. Sie wollen zusammenführen, was noch nicht so recht zusammengehören will: die Firmen Thyssen und Krupp, eine Großfusion, die beide stark genug machen soll für die Zukunft. Denn einzeln sind die beiden deutschen Stahlkonzerne im weltweiten Maßstab eher kleinere Fische, von hungrigen Räubern umkreist.
    Begonnen haben die Gespräche mit einem echt Vogelsang’schen Scherz. »Du hast da einen Sauladen, den müssen wir in Ordnung bringen«, hat er zu Beitz gesagt. Er kann sich das leisten. Beitz und er kennen sich seit mehr als vierzig Jahren, sie haben Kämpfe ausgefochten und sich wieder angenähert; nun, im hohen Alter, gelten sie als die großen alten Männer der Ruhrindustrie. Jetzt erst, im Herbst des Lebens, werden sie zu Freunden. Als Vogelsangs erste Frau nach einem Schlaganfall stirbt, hat er nur die engste Familie zur Trauerfeier eingeladen. »Und wer ist erschienen? Berthold und Else Beitz.« Gemeinsam gehen sie mit dem trauernden Witwer zum Grab. »Das ist eben seine Art«, sagt Günter Vogelsang heute, »einfach sehr sympathisch.« Ja, sie sind jetzt Freunde.
    DAS DUELL DER STAHLRIESEN
    Den Willen zur Freundschaft braucht es im Konflikt zwischen Thyssen und Krupp, den Riesen von der Ruhr. Im Jahr zuvor, 1996, hat Krupps Vorstandsboss Gerhard Cromme nämlich mit einem winzigen Zirkel von Vertrauten nicht weniger als die feindliche Übernahme von Thyssen geplant: Der Kleinere will den Größeren schlucken.
    Der Stahl, Krupps traditionelles Hauptgeschäft, gilt schon lange als Krisenbranche. 1983, beim gescheiterten Plan der Stahlmoderatoren, im Züge der Konzentration der Branche Thyssen und Krupp zu fusionieren, waren auf der Thyssen-Seite ein junger Manager namens Ekkehard Schulz und bei Krupp der Planungsdirektor Ulrich Middelmann dabei. Der Vorstandschef von Thyssen, Dieter Spethmann, lehnte die entsprechenden Pläne jedoch ab: Er fürchtete die Schwäche des Krupp-Stahls für seine Bilanzen und pokerte lange in Bonn um eine Staatsbürgschaft, bis am Ende gar nichts mehr ging.
    Für die beiden dynamischen Herren Middelmann und Schulz endete der große Traum deshalb nicht in einem neu formierten Reich des deutschen Stahls, sondern bloß in einer Düsseldorfer Altstadtkneipe und mit einem schweren Kater. »Middelmann und ich waren so etwas von enttäuscht«, erinnert sich Schulz. Sie trinken eine Nacht lang Bier und versichern einander, was sich zahllose Nachwuchskräfte in ähnlicher Lage versichert haben: »Sollten wir jemals in den Vorstand kommen, dann machen wir alles besser!«
    1989 wird dann überraschend Spethmann selbst aktiv, freilich ohne Wissen seines obersten Kontrolleurs, des Thyssen-Aufsichtsratschefs, seinerzeit niemand anderer als Günter Vogelsang. Spethmann fährt an einem Sonntagmorgen zu Beitz und bietet ihm an, Krupp zu übernehmen. »Das war keine sehr kluge Mission«, sagt Ekkehard Schulz im Rückblick, »weder klug noch erfolgreich.« Der Boss aus Düsseldorf bietet Geld, sehr viel Geld. Beitz, der geschworen hat, das Erbe Alfried Krupps und damit die Einheit des Unternehmens Krupp zu bewahren, antwortet dem Besucher: »Herr Spethmann, Sie müssen sich mal das Testament anschauen. Ich kann die Firma nicht verkaufen, und ich werde es auch nie tun.« Als der Thyssen-Chef unverrichteter Dinge

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