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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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außerordentliche Sitzung« des Gremiums an. Nachdem der Gast sich verabschiedet hat, erscheint Rau nach eigenem Eindruck »die Wahrscheinlichkeit einer solchen Aktion [gemeint ist die Übernahme; J. K.] äußerst gering«.
    Der Sozialdemokrat kann eigentlich kein Interesse an dem gewagten Projekt haben. Eine Übernahme führt unweigerlich zu »Synergieeffekten«, und solche lösen bei den Arbeitnehmern stets große Ängste aus, bedeuten sie doch, wie Beitz Cromme ja bereits gewarnt hat, in der Regel den Verlust einer erheblichen Zahl von Arbeitsplätzen. Schon in der Krupp-internen Besprechung vom 11. März ist von mehr als 5000 gefährdeten Jobs vor allem in Dortmund die Rede. Gerade einem SPD -Ministerpräsidenten dürfte die Vorstellung wenig behagen, demonstrierenden Ruhrarbeitern erklären zu müssen, warum er persönlich mit im Boot gesessen habe, als die Entscheidung dafür fiel. Auch Beitz’ Zweifel sind noch einmal gewachsen: Er selbst hadert mit dem Plan, den er nun auch noch gegen die Landesregierung durchkämpfen müsste.
    Fünf Tage später, am 16. März, findet ein neues Treffen in der Stiftung statt. Es ist ein Sonntag. Mit dabei sind diesmal der iranische Anteilseigner Navab-Motlagh und Friedel Neuber, Chef der West LB , auf die Cromme als Verbündete setzt. Der Vorstandschef legt sein Übernahmeziel in Zahlen dar, so das Protokoll der Sitzung. Angestrebt sei, »eine Mehrheit von rund 60 % zu erwerben«, aufgeteilt auf die Stiftung, den Iran und die Westdeutsche Landesbank. Es werde sich »ein Kaufpreis von 8,5 bis 9 Milliarden ergeben«, damit würde »sich die Verschuldung mit den gegenwärtigen Schulden von Krupp (3,1 Milliarden) und Thyssen (4,9) auf 16 Mrd. DM addieren«. Cromme stellt unmissverständlich klar: Zu seinem Konzept »könne man nur ja oder nein sagen. Bei einem nein sei das Thema beendet.« Er befürchtet »Indiskretionen« und bittet das Kuratorium »baldmöglichst« um sein Ja.
    Nur zwei Tage später, am 18. März, legt der Krupp-Vorstand Beitz mit der Bitte um Zustimmung ein durchgerechnetes Konzept vor, »das die von Ihnen genannten Bedingungen« für eine Zustimmung erfülle:
    1. Die Stiftung, der Iran und die West LB erreichen nach einer Verschmelzung die Mehrheit.
    2. Die Finanzierung ist gesichert.
    3. Die Rückführung der Schulden erfolgt in einem überschaubaren Zeitraum.
    4. Die Dividendenkontinuität [für die Stiftung; J. K.] ist sichergestellt.
    Zur Zustimmung des Kuratoriums wird es jedoch niemals kommen. Denn in der Zwischenzeit ist geschehen, was Cromme befürchtet hat: Die Sache ist durch eine Indiskretion ans Licht geraten. Am selben Sonntag schon, dem 16. März, als sich die geheime Runde im Stiftungsgebäude trifft, steckt Landesfinanzminister Heinz Schleußer dem Thyssen-Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Kriwet die schlechte Nachricht. Der trommelt eilig seine Truppen zusammen. Thyssens Vorstandsvorsitzender Dieter Vogel ruft, ebenfalls noch am Sonntag, bei seinem Stahlchef Ekkehard Schulz an: Anfang der Woche werde es »einen feindlichen Übernahmeversuch von Krupp geben«. Schleußer habe es von Ministerpräsident Rau. So kann Thyssen in letzter Stunde eine notdürftige Abwehrfront aufbauen. Bei feindlichen Übernahmen ist das Überraschungsmoment wichtig, denn es hindert das andere Management an Gegenmaßnahmen wie etwa einer Kapitalerhöhung, die den Preis der Aktien in die Höhe treibt. Volkswirtschaftler werden später berechnen, »dass Krupp-Hoesch drei weitere Tage ohne öffentliches Interesse ausgereicht hätten, die feindliche Übernahme zu vollenden«.
    In einem Brief an Beitz bestreitet Johannes Rau später etwas vage, Schleußer vorab die brisante Story erzählt zu haben. Er habe nach dem Besuch von Beitz am 11. März in »mehreren Gesprächen mit Kabinettskollegen und dem Chef der Staatskanzlei … auch allgemein meine Sorge um die zukünftige Entwicklung ausgesprochen«. Die Unterredung mit Beitz habe darin »keine Rolle gespielt«. Schleußer habe er erst am 17. März informiert.
    Wie auch immer, die Sache ist am Licht, und das erfahren Beitz und Cromme bereits am folgenden Tag. An ebendiesem 17. März, einem Montag, kommen beide jedenfalls abends persönlich zu Rau und Wirtschaftsminister Clement in die Staatskanzlei und sprechen mit ihnen über den Übernahmeplan. Der ist zwar aufgeflogen, wäre aber immer noch umsetzbar, wenn auch unter größeren Kosten und Schwierigkeiten als bei überraschenden Anteilsankäufen. Was soll nun werden? Rau

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