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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Greifswald, Teil einer umfassenden Unterstützung der Universität, die es ohne die Stiftung wohl nicht mehr geben würde. Das helle, moderne Kolleg steht gleich hinter dem Dom, dort, wo die SED einst zur Demütigung der Kirche eine übelriechende Großwursterei hingestellt hat. Teil des Wissenschaftsensembles ist die schön restaurierte »Alte Apotheke«, eines der ältesten Fachwerkhäuser Mecklenburg-Vorpommerns, das wie so viele Baudenkmäler in Greifswald vor 1989 ein Fall für die Abrissbirne sein sollte. Kein Wunder, dass die Stadt Greifswald ihrem Ehrenbürger inzwischen den »Berthold-Beitz-Platz« gewidmet hat.
    Zu den inzwischen renommiertesten Nachwuchspreisen der deutschen Universitätslandschaft gehört der Alfried Krupp-Förderpreis für junge Hochschullehrer, dotiert mit Forschungsmitteln in Höhe von einer Million Euro. 2009 erhielt ihn die 32-jährige Kölner Mathematikprofessorin Kathrin Bringmann für die Lösung von Grundsatzproblemen der Zahlentheorie. 2010 war es Jana Zaumseil, Professorin für Nanotechnologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Auch wenn die Verleihung vor 160 Gästen in der Villa Hügel gefeiert wurde: Beitz achtet bei solchen Anlässen sorgfältig darauf, dass er nicht als Stifter geehrt und genannt wird, sondern Alfried Krupp, dessen Erbe er verwaltet. Aber bei aller ostentativen Bescheidenheit – Freude hat er doch an der Verehrung, die ihm, dem einst viel Gescholtenen, nun im hohen Alter erwiesen wird. Auch in Essen gibt es, gleich bei der neuen, im Juni 2010 bezogenen Konzernzentrale von ThyssenKrupp, seit 2009 einen »Berthold-Beitz-Boulevard« – eine der jüngeren Ehrungen und Auszeichnungen, die Beitz im Laufe seines langen Lebens zuteil wurden. Dieses Leben ist ein Musterfall der späten Anerkennung, der Anerkennung für Boryslaw, für die Versöhnung mit den Völkern Osteuropas, für soziales Engagement, für einen menschlichen Kapitalismus. Der Wandel in der Wahrnehmung seiner Person hat sich fast unmerklich vollzogen. Aus dem mächtigen, umstrittenen Industriellen ist im Alter eine moralische Instanz geworden, Ehrenbürger Essens (2007), Kiels (2003) und Greifswald (1995), schon 1988 hat ihm das Land Nordrhein-Westfalen den Professorentitel verliehen. Er ist Ehrensenator der Greifswalder Universität (1991), Ehrendoktor der Jagiellonen-Universität Krakau (1993) und der Ruhr-Universität Bochum (1999). Der Geschichts-Dekan der Letzteren, Eberhard Isenmann, fühlt sich, schaut er auf Beitz’ Verdienste um die Aussöhnung mit Osteuropa mitten im Kalten Krieg, an Hugo von St. Victor erinnert, der im 12. Jahrhundert den »wagemutigen Kaufmann« beschrieb: »Er dringt in die Geheimnisse der Erde ein. Er bereist nie gesehene Küsten, durchschreitet raue Wüsten und pflegt mit barbarischen Stämmen in unbekannten Sprachen freundlichen Handelsverkehr. Sein Eifer einigt Völker, dämpft Kriege und festigt den Frieden.«
    In diesem Sinne hat Berthold Beitz auch 1973 das Große Verdienstkreuz mit Stern erhalten und aus der Hand seines Freundes Johannes Rau sechs Jahre später das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Sein Träger, so Rau, habe »die erste große Brücke zum Osten gebaut«. Schon 1974 hat Beitz deshalb als erster Deutscher einen der höchsten polnischen Orden erhalten, das Kommandorium mit Stern des Verdienstordens der Volksrepublik Polen; 1987 zeichnet ihn die Jagiellonen-Universität Krakau mit der Ehrenmedaille aus und 1993 mit der Würde des Doktors honoris causa. 2003 kehrt er nach Breslau zurück, wo er vor langer Zeit so knapp der Gestapo entgangen ist: Die Universität Wroclaw zeichnet ihn mit der Goldmedaille aus.
    An den Auszeichnungen für den Retter von Boryslaw lässt sich der Wandel im Umgang der bundesdeutschen Gesellschaft mit den langen Schatten der Vergangenheit ablesen. In den fünfziger Jahren wurde das Thema des Holocaust verdruckst verschwiegen; eine Auszeichnung für Beitz hätte zu vielen Menschen den Spiegel der eigenen Schuld oder Untätigkeit vorgehalten. Erst seit den achtziger Jahren wandelt sich das Bild. Es leben nicht mehr viele Menschen, die Krieg und Judenverfolgung als Erwachsene erlebt haben; die Ära jener endet, die noch berichten können, wie es gewesen ist. So erfährt Beitz als alter Mann jene Gerechtigkeit, die er schon viel früher verdient gehabt hätte.
    Es ist im Grunde die jüdische Seite, die überhaupt darauf aufmerksam macht und ihn 1973 zum »Gerechten unter den

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