Berthold Beitz (German Edition)
Völkern« ernennt. 1984, nach den Olympischen Spielen von Los Angeles, wird er in die »Scroll of Honour« des jüdischen Volkes aufgenommen. Im Jahr 2000 erhält er den Leo-Baeck-Preis, die höchste Auszeichnung der jüdischen Gemeinden in Deutschland, zwei Jahre später den Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums in Berlin.
Ausgerechnet der Leo-Baeck-Preis wird fünf Jahre später zum Anlass eines Eklats, der deutlich zeigt, wie schmerzhaft und traumatisch die Erlebnisse von Boryslaw auch sechzig Jahre danach für Beitz sind. 2004 erhält die CDU -Politikerin und spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel den Leo-Baeck-Preis, die Laudatio hält der Liedermacher Wolf Biermann, der Beitz die Preiswürdigkeit abspricht: »Zudem fand ich in der Liste der Leo-Baeck-Preisträger den Namen des Generalbevollmächtigten des Krupp-Konzerns, Berthold Beitz, der im Nazi-Krieg – in der Manier von Oskar Schindlers Liste – ›seine‹ Juden schützte. Als Beitz in den eroberten Ölfeldern der Beskiden wirkte und in Galizien jüdische Häftlinge für Hitlers Kriegswirtschaft ausbeutete, rettete er damit etlichen dieser Arbeitssklaven zugleich das Leben. Voilà, man wird bescheiden in diesem weltpolitischen Bestiarium und ist dankbar für jede menschliche Geste, sogar für jede Untat, die auf dialektische Weise zum Guten ausschlug. Der Leo-Baeck-Preis scheint also eine Auszeichnung zu sein, speziell gedacht für Deutsche, die man bei den Ostjuden ›a mensch‹ nennt, und ›a mensch‹, das heißt, wenn man es aus der jiddischen Sprache ins Deutsche übersetzt, nicht etwa ›ein Mensch‹, sondern bedeutet immer genau dies: ›ein guter Mensch‹.«
Einmal abgesehen davon, dass Beitz gar nicht für Krupp in Boryslaw war, hatten sich solche Unterstellungen schon während des ersten Hildebrand-Prozesses und spätestens durch die Untersuchung von Yad Vashem 1973 als falsch erwiesen. Was immer den Barden zu dieser Philippika bewogen haben mag: Der Geschmähte, der bei dem Vortrag nicht dabei war, nimmt sie übel, ob ihn Biermann nun für »a mensch« hält oder nicht. Er grollt nicht nur Biermann, sondern vor allem auch jenen, die die Rede anhören, nicht widersprechen und von denen er sich verlassen fühlt. Nur Stephan Kramer, der Generalsekretärs des Zentralrats, schreibt Biermann: »Nicht nur nennen Sie Berthold Beitz einen Ausbeuter, sondern diffamieren sein aktives Handeln zur Rettung von Hunderten von Juden vor dem sicheren Tod als ›menschliche Geste, ja sogar Untat, die auf dialektische Weise zum Guten ausschlug‹. … Dieses Handeln heute derartig gering zu schätzen, … ist schäbig und menschlich unanständig. Ich bin persönlich enttäuscht.« Die Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch aber schweigt zunächst, zu lange für Beitz. Er droht damit, all seine Auszeichnungen für Boryslaw zurückzugeben, bis es dann in Essen zu einer Aussprache mit der Präsidentin kommt und sich die Wogen glätten. Aber eine Wunde bleibt.
Essen, im Februar 2010, ein Festakt im Folkwang-Museum. Charlotte Knobloch gehört neben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ( CDU ) zu den Laudatoren. Berthold Beitz, nunmehr 96 Jahre alt, erhält für seine Verdienste um die deutsch-jüdische Verständigung die Moses-Mendelssohn-Medaille. Julius H. Schoeps, Direktor des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums, der Beitz die Medaille überreicht, spricht »von einer der schwierigen Aufgaben der Zukunft: Wie vermittle ich das, was 1933 bis 1945 geschehen ist?« Berthold und Else Beitz haben es erlebt und Mut und Menschlichkeit gezeigt in unmenschlicher Zeit. Es ist ein bewegender Moment, als sich Berthold Beitz in seiner Dankesrede an seine Frau wendet und sagt: »Ohne deine Liebe hätte ich diese Zeit nicht überstehen können. Diese Medaille gehört dir genauso wie mir.« Und als sich der Festakt dem Ende zuneigt, bittet Berthold Beitz den Pianisten Boris Bloch, eines seiner Lieblingslieder zu spielen, die berühmte Melodie aus dem Film Casablanca : »As time goes by.«
Der Patriarch
DER PAKT DER ALTEN HERREN
Düsseldorf liebt man, oder man mag es gerade nicht. Schön, wohlhabend und gediegen, bildet die Landeshauptstadt einen scharfen Kontrast zu den rauen Ruhrstädten in ihrem Norden und wird von dort aus nicht mit übertriebener Sympathie betrachtet. »Wer wohnt schon in Düsseldorf?«, singt Herbert Grönemeyer mit dem trotzigen Stolz der Leute von der Ruhr. Im Herzen der Stadt liegt die
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