Berthold Beitz (German Edition)
nach der ersten Einberufung. Mit der ihr eigenen Entschlossenheit sichert sich Evelyn Döring einen der Stempel mit dem Schriftzug »Beitz« und stempelt damit noch manches rettende Dokument. »Solange das Schild › BEITZ ‹ an der Tür hing, hofften alle, sie würden ein Wiedersehen begehen können«, wird sie Beitz später schreiben. Sie selbst weiß es besser: Er wird nicht mehr zurückkommen.
DIE ÜBERLEBENDEN
Wie viele Menschen insgesamt Berthold Beitz ihr Überleben verdanken, ist nicht exakt zu beziffern. Allein bei der »August-Aktion« der SS im Jahr 1942 waren es mehrere hundert Juden. Leider sind viele, die er zum Beispiel vor den Deportationen 1942 gerettet hat, in den folgenden Jahren doch noch ermordet worden, als immer weniger Juden übrig blieben und die Spielräume für ihre Rettung dramatisch kleiner wurden. Andere, wie Mina Horowitz, hat er gleich mehrmals herausgeholt. Manche der von ihm bis dahin beschützten Juden starben dann nach dem März 1944, als Beitz eingezogen wurde und die SS zwischen April und Juli die jüdischen Zwangsarbeiter deportierte. Auch Hilde Berger, Arthur Birman und Jozef Hirsch wurden damals verschleppt, überlebten jedoch. Von den Lagerinsassen wiederum ist eine größere Anzahl rechtzeitig geflohen, wie Beitz es ihnen geraten hatte. Es gibt andere, wie Jurek Rotenberg, den Beitz persönlich gar nicht kannte und dessen Leben er dennoch durch Ausgabe eines »R«-Abzeichens gerettet hat. Es dürften insgesamt mehrere hundert Menschen sein, die dank seiner 1945 noch am Leben sind.
Fast siebzig Jahre später leben nur noch wenige Zeitzeugen, die von Beitz gerettet wurden. Viele sind nach Beitz’ Abberufung 1944 auf dramatischen Wegen in die Freiheit gelangt, etwa die Personen, die für dieses Buch ihre Erlebnisse geschildert haben:
Janek (heute: Jacov) Bander, Jahrgang 1929, überlebt dank des rettenden »R«-Abzeichens. Im März 1944 flüchtet er in einen der versteckten Waldbunker, geht dann aber in eine Falle der Schutzpolizei. Gemeinsam mit seinem Vater Oskar wird er bei der letzten großen Deportation aus Boryslaw, nach der Räumung des Zwangsarbeiterlagers durch Hildebrand im April 1944, ins Konzentrationslager Plaszow deportiert und dort Opfer einer »Selektion« durch den berüchtigten Auschwitz-Arzt Josef Mengele: »Er ließ uns alle nackt antreten und stand vor uns, in einem weißen Pelzkragen, umgeben von einem Hofstaat von Offizieren. Mit einer Handbewegung sortierte er die Männer aus: Stärkere nach links, die Schwachen nach rechts.« Janek soll nach rechts, wechselt aber heimlich die Reihe. So überlebt er einmal mehr. Vater und Sohn werden nach Westen deportiert und müssen in einem Bergstollen Zwangsarbeit leisten, beim Bau der deutschen Düsenjäger Me 262 . Durch Schläge eines Wächters wird Oskar Bander verletzt; er hat eiternde Wunden am Arm. Als sein Sohn auf dem Krankenrevier nach ihm fragt, bekommt er zur Antwort: »Der ist tot.« Sie haben ihm eine Giftinjektion gegeben. Vor der nahenden Front ins österreichische Lager Ebensee verschleppt, ist Janek Bander dabei, als sich die Häftlinge einen Tag vor Kriegsende weigern, »auf Evakuierung zu gehen«. Dann sind die Amerikaner da.
Bander emigriert nach Israel, tritt der Eliteeinheit der »Golani«-Brigade bei und kämpft als Soldat in den Kriegen von 1948, 1967 und dann 1973 im Yom-Kippur-Krieg, dort ist er dabei, als Israels Armee im Gegenangriff den Suezkanal überquert. Er hasst die Deutschen nicht, sagt er, denn es gibt Berthold Beitz – und die Riederers in Dietenheim. Die Bauernfamilie hat 1944 eine halbwüchsige jüdische Zwangsarbeiterin aus Polen buchstäblich von der Straße aufgelesen und, als Polin getarnt, bei sich versteckt. Es ist Mania, Janeks große Liebe und spätere Frau.
Ludwig (heute: Larry) Hiss , geb. 1928, Jurek Rotenbergs Freund und Nachbar, den Berthold Beitz gemeinsam mit Janek Bander aus den Fängen des Sadisten Nemec befreit hat, wird nach dem Krieg als Kriegswaise in die USA gebracht. Dort will ein reiches jüdisches Ehepaar den einsamen Jungen aus Polen adoptieren, aber Ludwig weigert sich. Seine Eltern sind tot, ermordet, und er wird zu niemandem mehr Mutter und Vater sagen, wie gut sie es auch meinen mögen. Er läuft einfach davon, meldet sich freiwillig bei der US -Armee. Später bringt er es zum erfolgreichen Immobilienunternehmer. Er lebt in Ann Arbor, Michigan. Larry Hiss hält weiterhin Kontakt zu seinen alten Freunden aus Boryslaw. Über Beitz sagt er
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