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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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volles Vertrauen.
    Die Direktoren wollen es nicht glauben. Sie wagen zwar keinen offenen Widerspruch, aber ihre Blicke sind eindeutig, und als sich die Runde raunend entfernt, ist nicht schwer zu erraten, um was es geht: Herr von Bohlen muss von Sinnen sein. Alles an Beitz stößt bei der Führungsriege – oder besser: der bisherigen Führungsriege – auf Ablehnung. Er weiß wenig vom Ruhrgebiet, kaum etwas über Krupp, nichts über Stahl. Er ist von einfacher Herkunft, zu einfach aus Sicht seiner Feinde. Und er lässt es sie bald spüren, geradeheraus und ohne falsche Höflichkeiten. »Ihr kocht hier auch nur mit Wasser«, sagt er. In die steife Förmlichkeit des Direktoriums, das sich einmal wöchentlich trifft, passt Berthold Beitz wie ein gut gelaunter amerikanischer Saxophonist zum Gesangsverein für heimatliches Liedgut. Er trägt maßgeschneiderte Anzüge nach neuester Fasson, hat das Aussehen und mitunter das Auftreten eines Filmstars; manchen erinnert er an Clark Gable.
    Auch außerhalb des Konzerns stößt Beitz auf Ablehnung. Welten trennen seine Biographie etwa von jener Hans-Günther Sohls, Vorstandsvorsitzender der August-Thyssen-Hütte und einer seiner schärfsten Kontrahenten jener frühen Jahre an der Ruhr. 1972 wird Sohl Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ( BDI ), von dem sich Beitz stets demonstrativ fernhält. Heute sagt er: »Ich bin ein Mann, der seine Freiheit liebt, ich habe keine Funktionen im BDI gehabt , nicht im Ostausschuss der deutschen Wirtschaft. Ich gehörte dort nicht hin.« So wird er es zeitlebens halten: »Ich gehe meine Wege allein. Was ich hasse, sind all diese gesellschaftlichen Vereinigungen und Rotary-Clubs und wie sie alle heißen.«
    Sohl ist nicht nur ehemaliger Krupp-Mann, sondern auch einer der »Märzgefallenen«, also jener Männer, die gleich nach dem Ermächtigungsgesetz im März 1933 hurtig der NSDAP beitraten. Er steigt auf bis zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke AG . 1945 sitzt er für kurze Zeit in einem alliierten Internierungslager, wo er Günter Henle kennenlernt, den Konzernchef der Klöckner-Gruppe, der in der Adenauerzeit ebenfalls zum mächtigen Netzwerk der Ruhr-Industriellen gehört. Hans-Günther Sohls Gegnerschaft zu Beitz mag zum Teil auch auf Neid und ein dem mächtigen Mann unvertrautes Gefühl der Zurücksetzung beruhen. Jedenfalls hat er später sogar behauptet, eigentlich habe Alfried Krupp zuerst mit ihm, Sohl, gesprochen, ob er Interesse habe, als seine rechte Hand in die Unternehmensleitung nach Essen zu kommen. Beitz sei dann aber »aus Altersgründen« vorgezogen worden. Für diese Version der Geschichte gibt es keinerlei Belege.
    Beitz missfällt insbesondere eine Haltung, die Sohl ebenso verkörpert wie Fritz Berg, der BDI -Präsident von 1949 bis 1971 und ein weiterer verlässlicher Feind des Krupp-Generalbevollmächtigten. »Es gab«, so Beitz, »bei ihnen eine sehr ausgeprägte negative Einstellung gegenüber den Gewerkschaften. Aber die Firma würde doch ohne ihre Arbeiter gar nicht bestehen!« Die Attacken von Berg und Sohl gegen die soziale Marktwirtschaft, den freien Wettbewerb und die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Montanindustrie peinigen deren Architekten Ludwig Erhard, den CDU -Bundeswirtschaftsminister. Von den »Wundertätern« wird die Journalistin Nina Grunenberg später in einem Buch über die Netzwerke der deutschen Nachkriegswirtschaft sprechen. Es sind Netze, die oft schon während der Nazizeit gestrickt wurden: »Die Wirtschaftler, die an der Heimatfront gekämpft hatten, waren da und konnten von Glück reden.«
    Bergs Feindschaft zu Beitz ist von Gift durchtränkt. Der bullige BDI -Chef mit dem Schmiss aus deutschnational bewegten Tagen bei der schlagenden Studentenverbindung im Gesicht gehört zum engsten Kreis der Wirtschaftsberater Adenauers; er ist später neben dem Bankier Robert Pferdmenges und BDI -Hauptgeschäftsführer Gustav Stein Mitbegründer der berüchtigten »Staatsbürgerlichen Vereinigung«, mit der es auch Krupps Generalbevollmächtigter noch zu tun bekommen wird. Durch seine Nähe zu Adenauer wird Berg so mächtig, dass selbst die wirtschaftsnahe Frankfurter Allgemeine 1960 den »fatalen Eindruck« beklagt, »daß es offensichtlich Herr Berg ist, der die deutsche Wirtschaftspolitik bestimmt, ein höchst gefährlicher Eindruck …, gefährlich für die Demokratie«. Berg lässt Beitz immer wieder voller Missachtung spüren, dass der ein

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