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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Großmut der Sieger hat Grenzen, trotz peinlicher Gnadenappelle deutscher Politiker. Die nun Freigelassenen tragen Skihosen und dunkle Jacken, nur nicht Alfried Krupp, der in dunklem Anzug und Krawatte erscheint, hochgewachsen und schmal. Es bleibt ihm kein Moment des Durchatmens. Die Objektive vieler Kameras richten sich auf ihn, Reporter aus aller Welt haben in der Kälte vor dem Hauptgebäude mit seinen seltsam verspielten Zwiebeltürmen gewartet. Er ist ein freier Mann, sechs Jahre vor der Zeit, die seine Richter vorgesehen hatten. Und er ist ein reicher Mann, denn McCloy hat angeordnet, Krupps Vermögen freizugeben, das beschlagnahmt war. Vor allem aber ist Alfried Krupp ein erschöpfter, misstrauischer Mann, der mit 43 Jahren aussieht, als sei er ein Jahrzehnt älter. Sein Bruder Berthold wartet auf ihn, einen Strauß Tulpen und Narzissen in der Hand.
    In einem Landsberger Hotel gibt Alfried Krupp eine Pressekonferenz, auf der viele Journalisten ungläubig eine Art Schwur hören. Ob er nun wieder Waffen produzieren werde? Krupp antwortet: »Ich habe nicht den Wunsch und nicht die Absicht. … Ich hoffe, es wird für Krupp nie wieder nötig sein, zum Waffengeschäft zurückzukehren.«
    Kaum einer der Anwesenden, die hektisch ihre Berichte über die Rückkehr des Krupp-Herrn in die Welt hinaustelegrafieren, vermag sich indes vorzustellen, dass er es ernst meint. Alfried Krupp wird es nicht leicht haben in Freiheit.
    EIN NÄCHTLICHER HANDSCHLAG
    Das also ist der Mann, der nun, im Herbst 1952, immer wieder Kontakt zu Berthold Beitz sucht. Aber warum?
    Am 25. September 1952 trifft sich eine größere Runde im Hamburger Hotel »Vier Jahreszeiten«. Mit seiner weißen Jugendstilfassade, der weiten Fensterfront zur Binnenalster, den herrschaftlichen Räumen, dem gediegenen Rot der Kaminzimmer, den Bars und dem Restaurant ist das Hotel wieder, was es vor der Beschlagnahmung durch die Briten gewesen ist: ein Treffpunkt der gehobenen Hamburger Gesellschaft. Der Bildhauer Jean Sprenger ist da, Alfried Krupp stößt hinzu, begleitet von seiner zweiten Frau Vera. Eine Kapelle spielt auf. Ernst sitzt Alfried Krupp in der Runde, so ernst, wie Gastgeber Beitz ihn inzwischen kennt. Es ist spät am Abend, als der Gast aus Essen ihn plötzlich fragt: »Haben Sie einen Augenblick Zeit, Herr Beitz?« Und Beitz, überrascht, denkt bei sich: Aha! Jetzt will er Geld haben.
    Die beiden treten hinaus in die Nacht, es regnet, die Lichter des Jungfernstiegs spiegeln sich im dunklen Wasser der Binnenalster. Krupp und Beitz machen einen Spaziergang entlang des Ufers, als der stille Stahlkönig unvermittelt eine weitere Frage stellt: »Möchten Sie nach Essen kommen und mir helfen, den Konzern wiederaufzubauen?« Beitz schweigt kurz. Welch eine Gelegenheit. Dann aber antwortet er: »Nein, Herr von Bohlen, das muss ich leider ablehnen. Ich habe hier eine schöne Position als Generaldirektor, wir wohnen in einem schönen Haus, ich fühle mich wohl in Hamburg.« Krupp lässt jedoch nicht locker: »Sie bekommen Generalvollmacht, Sie können handeln wie ein Eigentümer und machen, was Sie wollen. Ich würde Sie gern als Generalbevollmächtigten in Essen haben.« Schließlich sagt Beitz: »Gut.« Im Rückblick berichtet er: »Es gab nichts Schriftliches – nur einen Handschlag zwischen zwei Männern.«
    Natürlich fragt nicht nur Else Beitz ihren Mann, sondern dieser auch sich selbst – und das manchmal bis zum heutigen Tag: »Wie bist du eigentlich dazu gekommen, vor der Tür des Vier Jahreszeiten ja zu sagen?« Ging es um Geld? »Nein«, so Beitz heute. »Ich habe bei der Versicherung gut verdient, und wir haben damals an der Alster gar nicht über Geld gesprochen. Später hieß es dann, ich hätte gleich ein Gehalt von einer Million Mark im Jahr bekommen, aber das stimmt nicht. Es lag anfangs zwischen 300 000 und 400 000 Mark« – für die fünfziger Jahre eine erkleckliche Summe, gewiss, aber dann doch wieder nicht der Grund, das Leben so radikal zu ändern.
    War es der Ruhm? Heute sagt Beitz: »Nein, ich war ja für meine jungen Jahre in Hamburg ein angesehener Mann, ich kannte die Größen der Stadt, war gesellschaftlich anerkannt.« Auf ein bestimmtes, leicht erklärbares Motiv lässt sich seine Zusage selbst im Abstand von mehr als fünf Jahrzehnten also nicht zusammenfassen. Vielleicht spielte auch der Mythos Krupp eine Rolle. Gewiss aber war es, wie so oft in seinem Leben, eine Frage der Intuition, das Gespür für das Richtige, die

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