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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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seitenlangen Titelstory über Beitz schreibt selbst Der Spiegel 1959 ganz en passant: »Mehrmals holte er jüdische Arbeiter, die deportiert werden sollten, aus den Eisenbahnwaggons heraus.« Bemerkenswerterweise ist die an Krupp stets interessierte angelsächsische Presse weit offener. So schreibt der britische Observer 1961: »Beitz steht in hohem Ansehen, weil er von Anfang an und mit allen möglichen Listen und Täuschungen Juden und Polen vor der SS gerettet hat, oftmals unter beträchtlichem persönlichem Risiko.« So sagt die Stille um Beitz’ Rettungstaten in Boryslaw am Ende wohl mehr über die Nachkriegsgesellschaft und Beitz’ Umfeld aus als über ihn selbst. Man hätte es wissen können, wenn man nur gewollt hätte. Allein die Ahnung, dass der Krupp-Generalbevollmächtigte sich wohl wesentlich untadeliger verhalten hat als man selbst, schürt bei manchen Aggressionen. Günter Vogelsang erinnert sich an eine besonders infame Äußerung, die BDI -Präsident Berg gern unter Vertrauten fallen gelassen habe: »Da hat der Beitz im Krieg sieben dreckige Juden gerettet …«
    Hier zeigt sich mehr als bloß der Zynismus der Macht. Die Bemerkung zeugt von einer psychologischen Abwehrhaltung, die hier bemerkenswert widerwärtig, aber in der Ära Adenauer durchaus weit verbreitet ist. Der frühere SPD -Politiker Wolfgang Clement, ehemals Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens und mit Beitz auch aus dem Kuratorium der Krupp-Stiftung gut bekannt, glaubt heute, dass Beitz’ Vergangenheit in Polen einen sehr wunden Punkt bei seinen Kontrahenten berührt hat, auch wenn das niemand aussprach. Wer selbst unter der Nazidiktatur, in welcher Funktion auch immer, mitgemacht habe und dann jemanden wie Berthold Beitz treffe, »für den ist es sehr schwer, damit umzugehen. Jemand wie er ist dann ja wie ein lebender Vorwurf gegen einen selbst: Warum hat der so etwas geschafft? Was habe ich mir im Vergleich vorzuwerfen?«
    »MAN MUSS DIE MACHT ZU GEBRAUCHEN WISSEN«:
DER NEUE BESEN
    In Essen muss sich Beitz nun durchsetzen. Die erste Maßnahme des Generalbevollmächtigten ist eine Petitesse innerhalb der Hausverwaltung, in Wahrheit aber eine spöttische Botschaft an die Widersacher: Unterschätzt euren Gegner nicht. Beitz veranlasst, dass die Paternoster, die behäbigen hölzernen Personenaufzüge an der Altendorfer Straße, künftig schneller laufen sollen.
    Das Reich der alten Direktoren ist eine geschlossene, für Außenstehende kaum durchschaubare und noch weniger zu beeinflussende Welt. Eine Welt mit ihren eigenen, oft schwerfälligen Abläufen, in Generationen gewachsen und noch dazu durch Arbeitsverträge abgesichert, auf die jeder Staatsdiener neidisch gewesen wäre. Genau deshalb nennt man die Krupp-Angestellten ja auch noch nach Sitte des 19. Jahrhunderts Krupp-Beamte, ganz offiziell organisiert im »Kasino-Verein Kruppscher Beamten«. Jedem der Direktoren ist ein Arbeitsbereich unterstellt, in dem er fast nach Belieben schaltet und waltet. Krupp gleicht 1953 einem zerfallenen Königreich, beherrscht von mächtigen Teilfürsten, die eifersüchtig über ihre Privilegien und Territorien wachen. Die lange Abwesenheit des Firmenbesitzers hat ihre Autonomie ins scheinbar Unerschütterliche wachsen lassen. Wer über das Geld verfügt, hat die Macht. An der Hoheit über das Geld entscheidet sich denn auch Beitz’ erste harte Machtprobe. Nur wenige Tage lässt der langjährige Krupp-Mann Johannes Schröder, seit kurzem Direktor für Finanzen des Gesamtkonzerns, verstreichen, dann erklärt er vor der örtlichen Presse, in seinen, ihm unterstellten Abteilungen gingen die Gelddinge außer ihm niemanden etwas an und gewiss nicht den Herrn Beitz. Das ist eine offene Kampfansage – und der Neue nimmt sie an. Erneut zitiert Alfried Krupp die Direktoren in sein Arbeitszimmer, erneut können sie nicht fassen, was ihnen der Konzernchef ohne erkennbare Gefühlsregung und vor allem ohne jede weitere Debatte mitteilt: Der Generalbevollmächtigte Beitz sei selbstredend für »alle geschäftlichen Angelegenheiten zuständig« – und damit auch für die Finanzen. Audienz beendet.
    Schröder ist nicht irgendwer. Er ist Finanzchef des Konzerns, hat mit den Rüstungsplanern des Dritten Reichs gekungelt wie gekämpft und später im Namen Alfried Krupps mit den Alliierten über die Zukunft des Konzerns gestritten. Lange Zeit führt er sogar das Privatkonto von Alfried Krupp. Und er ist es, der weiter aufbegehrt und sich flotte Sprüche anhören

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