Berthold Beitz (German Edition)
Bundeswirtschaftsminister eine Verlängerung, formal »wegen fehlender Kaufinteressenten«. Das ist nicht einmal falsch. Das Stahlimperium hätte viel Geld gekostet, zu viel Geld für Investoren. Außerdem müsste der Käufer fast zwangsläufig ebenfalls aus der Montanindustrie kommen. Wer sonst würde das gewaltige Hüttenwerk kaufen wollen? Das Ende vom Lied: Krupp hat keinen Käufer. Was nicht im Verlängerungsantrag steht: Krupp will auch gar keinen haben. Die anderen Montankonzerne möchten nicht auf Kosten ihresgleichen zum Nutznießer alliierter Befehle werden.
In Großbritannien ist das Beharren auf der Verkaufsauflage am zähesten, aber wichtiger sind die USA . Alfried Krupp darf das Land nach wie vor nicht betreten. Also schickt er ab Mitte der fünfziger Jahre Berthold Beitz.
Sein Generalbevollmächtigter ist der richtige Mann für die Krupp’sche Charmeoffensive. Er liebt amerikanische Jazzmusik ebenso wie die amerikanische Lässigkeit. Bei seinen Gesprächspartnern kommt der locker parlierende Emissär aus Essen entsprechend gut an. Auf einem festlichen Empfang der US -Stahlindustrie im New Yorker Prachthotel »Waldorf Astoria« ist er der einzige deutsche Gast. Und im hochmodernen, eleganten Seagram Building an der New Yorker Park Avenue bringt Beitz die US -Vertretung von Krupp unter, gleichsam als Signal dafür, dass der Konzern hierhin gehört, mitten ins Herz des internationalen Geschäftsviertels. Seinen größten Auftritt hat er in San Francisco auf einer internationalen Wirtschaftskonferenz über globale Ökonomie und die Probleme der Entwicklungsländer – als der gute Geist eines zum Guten gewendeten Konzerns. Am Abend vor seiner Rede übt er mit einem Redakteur, den ihm der Time -Herausgeber Henry Luce geschickt hat, die Aussprache, und so hört das Auditorium anderntags dem Krupp-Emissär zu, der daran erinnert, »daß unsere Essener Werke einmal Schienen und Räder für Ihre transkontinentalen Eisenbahnen lieferten«. Für die Gastgeber hat er Dank und Lob: »Ohne die umfassende, die großzügige finanzielle und wirtschaftliche Hilfe, die die Vereinigten Staaten nach dem Krieg Deutschland gewährt haben … hätte dieser Aufbau nicht vollbracht werden können, und ich persönlich stünde nicht hier und spräche zu dieser erlesenen Versammlung.«
Hauptthema seiner Rede ist jedoch die Hilfe für die Schwellen- und Entwicklungsländer, die er wirtschaftlich mit der Ersten Welt vernetzen will – durch den Transfer von Wissen, günstige Devisenkredite und Staatsbürgschaften der reichen Länder für mutige Investoren in den armen. Im Kern sieht der Plan vor, dass westliche Privatunternehmen gemeinsam Entwicklungsgesellschaften gründen. Dazu hat Beitz US -Unterstaatssekretär Robert Murphy sogar persönlich ein eigenes Memorandum übergeben, dessen Inhalt man heute, fünfzig Jahre später, als Leitfaden zu »nachhaltiger Entwicklung« bezeichnen würde. Nicht umsonst gilt Beitz manchen Experten als entwicklungspolitischer »Visionär großen Stils«. Die US -Administration nennt das Memorandum das »Point four and a Half Program« oder schlicht den »Krupp-Plan«. Die Rolle der USA wäre dabei, den Drittweltstaaten günstige Entwicklungskredite zu gewähren. Bei Murphy geht Beitz ein und aus, »sehr zum Erstaunen des deutschen Botschafters Krekeler, dem er eines Tages im Flur begegnete«, wie der Spiegel amüsiert notiert.
Das Papier stößt in den USA durchaus auf Wohlwollen. Die US -Kommission für unterentwickelte Gebiete reist sogar eigens nach Essen, um es mit Beitz zu erörtern. Es fügt sich gut in die allgemeine Strategie, die jungen Staaten möglichst vor dem Einfluss des Kommunismus zu bewahren.
In jedem Fall enthält der von Beitz unterbreitete Plan spektakuläre Vorschläge in einer Zeit, in der Deutschlands Nachbarn Frankreich und Belgien noch blutige Kolonialkriege in Afrika führen. Und auch im gesamten Überseegeschäft lautet das Motto des Konzerns: »Wir kommen als Freunde!«
Krupp’schem Personal im Auslandsdienst wird unter Beitz entsprechend vermittelt, dass »eine geringere Einschätzung der braunen oder schwarzen Mitarbeiter« nicht die von der Firmenleitung erwünschte Einstellung widerspiegle, denn: »Wir müssen uns draußen immer bewußt sein, daß wir bei den jungen Nationen auch Helfer und Berater sind.«
Das Geschäft mit den jungen Staaten in Übersee hat der Konzernherr gleich nach seiner Rückkehr aus der Landsberger Haft entdeckt. Die
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