Beruehmt und beruechtigt
Komplex aus Betonplatten im Stil der Siebziger. In ihm befand sich ein großes Auditorium, wo die verschiedenen Bands und Kapellen von Waverly ihre Auftritte hatten. Außerdem beherbergte der Bau die Musiksäle und Dutzende kleiner schallgedämpfter Übungsräume. Brandons Mutter war erste Violinistin bei den New Yorker Philharmonikern gewesen, und er spielte, um sich ihr näher zu fühlen. Sie war gestorben, als er erst vier war. Geige war das Erste gewesen, was sie ihm beigebracht hatte, noch vor Lesen. Es war sexy, dass Brandon etwas so perfekt beherrschte, ohne sich groß anzustrengen – aber Brandon als Wunderkind auf dem Bass oder einem andern mehr Rock-Star-mäßigen Instrument wäre Callie eindeutig lieber gewesen. »Soll ich dich am Tor treffen?«
Brandon wartete also schon am Tor auf sie, als die Mädchen ankamen. Tinsley entdeckte ihn zuerst und warf Callie einen vielsagenden Blick zu. »Sieht so aus, als ob dein Freund auf dich wartet.«
»Ich kann doch nichts dafür, dass ich Bewunderer habe.« Callie bemerkte, wie Jenny unbehaglich den Blick abwandte. Es ärgerte sie, dass ein jüngeres Mädchen sie bedauerte, vor allem eines, das sich so mit Easy angefreundet hatte. Zumindest hatte Jenny ihnen versichert, dass nichts zwischen ihnen lief. Callie fühlte sich schon erniedrigt genug, dass man sie hatte fallen lassen, aber wegen einer anderen verlassen worden zu sein, war zehnmal schlimmer.
Brett zwinkerte Callie über die Schulter zu, während die anderen auf den Campus zusteuerten, Brandon anzügliche Blicke zuwarfen und kicherten, als sie an ihm vorbeizogen.
»Was hatte das denn zu bedeuten?«, wollte Brandon wissen. Er trug eine tadellos gebügelte Paper-Denim-&-Cloth-Jeans und ein Brooklyn-Sweatshirt, obwohl er aus Greenwich stammte. Callie war froh, dass er seine Geige nicht dabeihatte.
»Dumme Gänse«, erwiderte sie etwas unwirsch und merkte, wie ihre angeregte Stimmung verflog. Dann fiel ihr auf, wie Brandon sie ansah. Egal wie sehr sie sich über Brandon aufregen konnte, sie musste zugeben, dass es angenehm war, so von jemand angesehen zu werden, als könne er den Blick nicht von einem abwenden.
»Ich wollte nur sehen, wie es dir geht«, sagte er unsicher, wobei er zärtlich lächelte.
»Hör bloß auf mit diesem gespielten Mitgefühl. Ich weiß, wie sehr du dich freust, dass Easy mit mir Schluss gemacht hat.« Callie zog ihre fast leere Schachtel Parliaments – in letzter Zeit hatte sie geraucht wie der Teufel – aus der Tasche ihrer True-Religion-Jeansjacke, die ihr mal wie angegossen gepasst hatte, jetzt aber zu ihrer Verärgerung etwas schlotterte.
Brandon wirkte verletzt. »Es tut mir nicht leid, dass du nicht mehr mit ihm zusammen bist – er hat dich gar nicht verdient. Aber es tut mir leid, dass es dir schlecht dabei geht.«
Callie seufzte und zündete sich eine Zigarette an. Brandon war einfach so nett . Vielleicht war das ja das Problem. Obwohl sie mit ihm Schluss gemacht hatte, war er immer noch megalieb zu ihr. Er ließ sie wissen, dass er immer für sie da war und sie immer lieben würde. Aber wenn das auch sehr ehrenwert von ihm war, es machte ihn überhaupt nicht anziehender. Er machte es einem viel zu leicht . »Ich weiß nicht. Ich krieg wohl, was ich verdient habe, oder?«
»Callie, du verdienst, wie eine Göttin behandelt zu werden, so ist es.« Brandon schüttelte den Kopf. »Lass dich doch nicht von einem Schleimscheißer wie Easy runterziehen.« Er nahm ihr hageres, müdes Gesicht wahr und hatte einen Moment Angst, als ihm bewusst wurde, wie dünn und traurig sie wirkte. »Du stehst so weit über ihm, dass es verrückt ist.«
Callie seufzte wieder. Wie leicht konnte man das zu jemand sagen, dem man gerade das Herz herausgerissen und es auf einen kalten Fliesenboden geworfen hatte – er hat dich nicht verdient, du bist viel zu gut für ihn, du hast Besseres verdient. Na und, selbst wenn Easy sie nicht verdiente – das hielt sie nicht davon ab, sich nach ihm zu sehnen .
Aber nun stand Brandon da in seinem Polohemd mit dem Pferdelogo von Ralph Lauren auf der Brust; verlegen scharrte er mit seinen Calvin-Klein-Wing-Tips im Gras. Immerhin gelang es ihr noch, wenigstens einen Jungen mit ihrer Anwesenheit nervös zu machen.
»Easy konnte mich kaum ansehen, als er Schluss gemacht hat – als ob ich ihm so zuwider sei, dass er jeden Zentimeter von mir aus seinem Gedächtnis radieren wollte.« Callie sah zu Boden und strich sich in bemitleidenswerter Weise mit den
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