sich in dem glatten Ledersattel zurecht und suchte den besten Sitz. »Bequem?«, fragte Easy, stellte die Steigbügel auf die richtige Länge und gab ihr die Zügel in die Hände.
»Ich hab das Gefühl, auf einem Elefanten zu sitzen«, sagte sie lachend und fühlte sich etwas schwindelig. Auf dem Pferd kam sie sich auf einmal so … groß vor!
Easy stieg auf Marymounts Pferd. »Kann es losgehen?«
Tief atmen, tief atmen. »Ja«, piepste Jenny.
»Dann press mal leicht die Waden an Credos Flanken. Und folge mit den Hüften einfach seinen Bewegungen. Dann klappt’s schon.« Easy ritt mit Diana an und Jenny drückte die Unterschenkel sanft in Credos Flanken. Sie schnappte nach Luft, als Credo loslief.
»Ist das schon Trab?«, fragte sie aufgeregt.
»Noch nicht.« Easy lachte. »Bist du sicher, dass du schon traben willst?«
Ihre Blicke trafen sich und er trieb sein Pferd zum Trab an. Rasch entfernte er sich von ihr. »Dann komm!«, rief er und sah sich über die Schulter nach ihr um. Seine Locken wehten in der leichten Brise.
»Ich werde besonders lieb zu Easy sein, wenn du lieb zu mir bist«, flüsterte sie Credo zu, dann spannte sie die Unterschenkel an und spürte, wie das Pferd unter ihr davonschoss. »Wow«, japste sie.
Eine Stunde später waren sie wieder bei den Stallungen. Jennys Beine schmerzten vor Anstrengung. Sie konnte gar nicht glauben, wie viel Spaß es machte, auf dem riesigen, schaurig-schönen Credo über die Felder zu reiten – auch wenn sie sich nicht mehr als Trab zutraute, egal wie sehr Easy sie ermutigte. Der Himmel war leicht bewölkt gewesen, als sie losritten, aber bald schon wurde es dunkler und dicke Regentropfen fielen aus bedrohlich grauen Wolken. Sie ritten in den Stall, der sauber und dunkel war und nach Easy roch, nur viel intensiver.
Easy glitt von seinem Pferd und führte es in seine Box, dann wandte er sich Jenny zu. »Hat es dir gefallen?«, fragte er, obwohl er die Antwort an dem begeisterten, atemlosen Lächeln auf ihrem Gesicht ablesen konnte.
»Ich verstehe jetzt, was am Reiten so toll ist.« Sie zog den Stiefel aus dem Steigbügel und stieg etwas eleganter ab, als sie aufgestiegen war. »Wow, hat das Spaß gemacht!« Ihre Beine zitterten von der Anstrengung, und als sie den Helm abnahm, merkte sie, dass ihr Haar verschwitzt war und bestimmt am Kopf klebte. Aber es war ihr egal.
»Da merkt man, dass man lebt, nicht?«, meinte Easy. Er nahm Credo den Sattel ab und schob ihn auf eine lange Metallstange. Dann führte er Credo in seine große, mit Stroh dick gepolsterte Box.
»Da werden einem noch ganz andere Dinge bewusst«, erwiderte sie zweideutig und fühlte sich mutig. Sie spürte, wie ihr das Blut durch die Adern rann und wie aufgeputscht sie war. Auf Credo hatte sie das Gefühl gehabt, um die ganze Erde jagen zu können, und jetzt, wo sie wieder auf ihren eigenen Beinen stand, fühlte sie sich frei zu tun, was sie wollte. Und was sie wollte, war, Easy küssen.
»Zum Beispiel?« Er zog die Augenbrauen hoch und starrte sie an. Jenny sagte nichts. Er trat langsam, ganz langsam näher. Jenny wollte alles an diesem Moment genießen. Sie sog den Geruch des Stalls ein. Sie nahm das Geräusch von Credos Schnauben auf. Sie prägte sich das beginnende Trommeln des Regens auf das Blechdach ein. Das Rascheln des Strohs unter ihren Stiefeln. Die Art, wie ihre Beine zitterten. Die Art, wie Easy ihr Kinn berührte und es hochhob. Und wie er seine Lippen auf ihre legte und sie küsste. In diesem Augenblick hörte sie auf, an überhaupt irgendwas zu denken – außer daran, dass sie den Jungen küsste, den zu küssen sie nie erwartet hatte.
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Sonntag, 15. September, 18:58 Uhr
Betreff:
Landleben
Hallo Dad, du wirst es nicht glauben, aber heute war ich reiten. Ich saß auf einem richtigen Pferd – einem riesigen Zehn-Tonnen-Tier mit echt großen Zähnen. Mich hat nicht mal die Angst gepackt! Okay, ein bisschen schon, aber ich war in guten Händen. In ganz lieben Händen. Darüber will ich allerdings erst mal nichts weiter sagen … Ich will nichts beschwören. Mir macht das Internatsleben viel Spaß – hab meine erste Eins plus bekommen, hab im letzten Hockeyspiel eine gute Vorlage geliefert und Tausende von Leuten kennengelernt. Es ist ein bisschen komisch, dass man hier nicht jeden Tag die Schuluniform im Unterricht tragen