muss. (Das macht es etwas langwieriger, morgens fertig zu werden!) Ein bisschen komm ich mir noch wie die Neue vor und versuche, die ganzen unausgesprochenen Regeln zu begreifen. Aber allmählich hab ich den Bogen raus. Wie lebt es sich in der Wohnung ohne Dan und mich? Ist Vanessa oft da und leistet dir Gesellschaft? Sag ihr, wenn sie mein Zimmer orange streichen und meinen Schrank mit Barneys-Kram vollstopfen will, geht das für mich okay. Du fehlst mir wie verrückt. Verklickere Dan, dass er seiner kleinen Schwester ab und zu mal’ne E-Mail schicken könnte – wer weiß, vielleicht fehlt er ihr ja doch ein bisschen! Deine Lieblingstochter Jenny
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Montag, 16. September, 9:45 Uhr
Betreff:
Treffen
Lieber Mr Walsh, ich entschuldige mich für die späte Benachrichtigung, aber ich hoffe, sie erreicht Sie noch rechtzeitig. Bitte kommen Sie doch heute vor dem Mittagessen kurz in mein Büro. Gruß EFD
20 Eine Waverly-Eule weiß, dass der Vertrauenslehrer immer nur das Beste für seine Schützlinge will. Richtig?
Man hätte meinen können, dass Easy zwei Stunden zu spät kam und nicht nur fünf Minuten, wenn man sich Daltons Gesicht ansah, als Easy die Tür öffnete. »Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte Easy und fragte sich, warum er sich diesem Typ gegenüber eigentlich ständig entschuldigte.
»Setzen Sie sich.« Dalton nickte zu einem glänzenden Lederstuhl. Er selbst stand hinter seinem Schreibtisch und sah aus wie ein Teilnehmer einer Schauspielklasse, dem gerade befohlen worden war, ein »strenges« Gesicht aufzusetzen.
Vor drei Stunden hatte Easy in seinem Kurs über europäische Geschichte gesessen, unkontrolliert gegähnt, große Schlucke von seiner extra starken Latte genommen und versucht, nicht ununterbrochen an Jenny zu denken. Er war letzte Nacht zu aufgedreht gewesen, um zu schlafen. Also war er aufgeblieben und hatte bis drei Uhr morgens GameCube gespielt. Als der Wecker um sieben piepste, war er kaum in der Lage, seinen Hintern aus dem Bett zu schieben. Er war beeindruckt, wie schnell Jenny mit Credo zurechtgekommen war. Eigentlich hatte er befürchtet, sie würde viel zu verängstigt sein, um mehr zu wagen, als Credo zu tätscheln. Aber sie war einfach aufgesessen. Und obgleich sie ziemlich verängstigt wirkte, hatte sie es geschafft, fast eine Dreiviertelstunde zu traben. Gott, war sie süß.
Unter dem Tisch checkte Easy die SMS auf seinem Handy. Er hoffte auf eine Nachricht von Jenny, in der stand, wann sie sich wieder treffen könnten. Aber stattdessen war da nur eine Nachricht von Eric Dalton, der ihn vor dem Mittagessen in sein Büro zitierte. Was zum Teufel hatte das denn zu bedeuten?
Er vermutete, dass Dalton nur ein kurzes Kontrollgespräch führen wollte. Schließlich war er noch immer auf Bewährung, nachdem er außerhalb der erlaubten Zeit in Callies Zimmer erwischt worden war. Mann, schien das lange her zu sein. Er erinnerte sich nicht mal daran, dass es die Nacht gewesen war, als er und Callie »es« fast getan hätten; für ihn war es nur die Nacht, als er Jenny berührt hatte, als er sturzbetrunken auf ihrem Bett gesessen hatte. Sie hatte so gut gerochen – nach Schlaf und Orangen und Zahnpasta -, dass er neben ihr einschlafen wollte.
Easy sah Dalton an. Er hatte doch immer gewusst, dass der Typ hinterhältig war. Es war ihm schon mehrfach aufgefallen, wie Dalton auf Mädchen reagierte. Als könne er sein Glück nicht fassen, von so vielen scharfen Miezen umgeben zu sein, die ihn umschmeichelten. Darüber vergaß er vollkommen, dass er die Hände von ihnen zu lassen hatte. Natürlich waren Easy die Gerüchte über ihn und Brett zu Ohren gekommen.
»Easy?« Dalton faltete die Hände und sprach so langsam, als wäre Easy geistig ein bisschen zurückgeblieben. »Sind Sie sich im Klaren darüber, was Bewährung bedeutet?«
Easy tat so, als bemerkte er den herablassenden Ton von Dalton nicht. Sollte das eine Art Test sein? Vielleicht hatte Dalton es ja auch nötig, sich ab und zu wie ein Kerl aufzuführen, der hart durchgriff. »Es bedeutet, dass ich mir nichts mehr zuschulden kommen lassen darf, sonst werde ich rausgeworfen.«
»Danke.« Dalton lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stützte die Ellbogen auf die Armlehnen. Seine Unterarme und Hände formten eine Art Tempel. »Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich mehrere