Beruehre meine Seele
zurücklassen müssen.
„Finde einfach raus, was Mr Beck für einer ist – ohne durchblicken zu lassen, dass du kein Mensch bist. Kannst du dir einen Grund ausdenken, ihn anzufassen, um seine Ängste in der Tiefe zu durchforsten?“ Dank der Armbänder, die wir beide trugen – geflochtene Stränge aus Dissimulatus, das Hellions daran hinderte, von der Unterwelt aus unsere Signatur wahrzunehmen, die wir ununterbrochen aussendeten wie ein GPS-Signal –, würde Beck niemals dahinterkommen, welcher Spezies wir angehörten. Es sei denn, wir verrieten es ihm.
„Wenn du recht hast und er es wirklich mit seinen Schülerinnen treibt, wird es wahrscheinlich nicht schwer sein, eine Ausrede zu finden, um ihn zu betatschen.“ Sabine lehnte sich in die Couch zurück und machte keinerlei Anstalten, mich zur Tür zu begleiten und zu verabschieden.
„Da bin ich mir bei dir sogar ganz sicher.“
Sie sah mich herausfordernd an. „Willst du sagen, ich bin eine Schlampe?“
„Nein.“ Ich seufzte und schob all die Gedanken beiseite, die ich im Moment einfach nicht denken wollte. „Wenn du mich fragst, bist du Nash auf eine ziemlich fanatische Art verfallen und ihm absolut treu.“ Und wenn ich erst weg war, würde er ihr vermutlich ebenso treu sein.
„Sabine?“, setzte ich ein letztes Mal an, und sie wandte sich mir zu, ihr Gesichtsausdruck so ernst wie der Klang meiner Stimme. „Ich weiß, dass du für ihn da sein wirst und dich um ihn kümmerst, wenn es so weit ist.“ Auf mehr als eine Art, die ich mir gar nicht genauer vorstellen wollte. „Aber denk nicht mal dran, ihn auch nur zu berühren, ehe ich nicht kalt und unter der Erde bin.“
6. KAPITEL
Als ich am Sonntagmorgen aufwachte, war ich allein im Haus. Mein Dad hatte einen Zettel an den Kühlschrank gepinnt, dass er zum Abendessen zurück wäre. Kein Wort der Erklärung. Aber ich wusste auch so, was er Dringendes zu erledigen hatte. Er suchte nach einer Möglichkeit, mein Leben zu retten. Und ich wusste, würde er eine entdecken, würde er die Gelegenheit beim Schopf packen, ganz egal, was es ihn kostete oder irgendjemanden sonst.
Was es mich kostete, war offensichtlich. Warum schien mein Vater seine Liebe zu mir bevorzugt durch seine eigene Abwesenheit auszudrücken?
Ich aß einen Becher Eiscreme zum Frühstück. Weshalb sollte ich mir Sorgen wegen der Kalorien oder ungesunder Ernährung machen, wenn ich doch sowieso nicht mehr da wäre, um unter den Folgen zu leiden? Dann schaltete sich mein innerer Autopilot ein, und ich ging wie gewöhnlich duschen und zog mich an, als wäre alles normal. Nachdem ich mich eine halbe Stunde lang durch verschiedene Fernsehprogramme gezappt hatte, von denen mich nicht ein einziges interessierte, holte ich mein Handy, um Emma anzurufen – und ließ es wieder sinken, als mir einfiel, dass sie im Kino war und arbeitete. Doch bevor ich es zurück in meine Tasche stecken konnte, leuchtete das Display auf und der Klingelton verriet mir, wer dran war. Nash.
Ich lächelte und klappte das Telefon auf.
„Hey“, hörte ich Nash sagen. Seine Stimme klang tief und etwas rau, als wäre er gerade erst wach geworden. „Hast du Zeit?“
„Mein Terminkalender ist ziemlich leer, jedenfalls bis irgendwann nächsten Donnerstag. Warum? Schwebt dir irgendwas Bestimmtes vor?“
Ich hörte Bettfedern quietschen, und Nashs Stimme wurde klarer. „Die Dame darf heute entscheiden. Mittagessen? Film? Einmal Hölle und zurück, Fallschirmspringen? Du sagst, was es sein soll, und ich tue es.“
Ich zögerte für einen Moment und entgegnete dann mit klopfendem Herzen: „Mein Dad ist den ganzen Tag unterwegs. Ich könnte ein bisschen Gesellschaft brauchen …“
Stille, bis auf ein fast unmerkliches Ausatmen am anderen Ende der Leitung. „Könntest du?“, fragte er nach. Doch wir wussten beide, was ich tatsächlich damit gemeint hatte. „Bist du sicher, dass du schon so weit bist?“
„Ja.“ Nein . Aber mir blieb keine Zeit mehr, noch länger zu warten. „Bring Kondome mit.“ Denn bei mir lag so etwas garantiert nicht zufällig in irgendeiner Schublade herum. Zumindest da war ich mir hundertprozentig sicher.
„Gib mir eine halbe Stunde.“
Ich klappte das Handy zu und schob es in meine Hosentasche, auf einmal so nervös, dass ich kaum richtig atmen konnte. Jeder Atemzug schien entweder zu früh oder zu spät zu kommen, als würde ich abwechselnd ersticken und hyperventilieren.
War das normal?
So blöd und ahnungslos, wie ich mir
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