Beruehre meine Seele
Zusammenbeißen langsam wehzutun. „Okay, pass auf.“ Ich beugte mich auf meiner Sessellehne zu Sabine vor und sah ihr fest in die Augen, obwohl direkter Blickkontakt mit einer Mara eine sehr unangenehme Angelegenheit war. „Ich habe kapiert, dass du Nash haben willst. Und auch wenn es mir dabei hundeelend geht, du kriegst deine Chance in ein paar Tagen. Ich kann dir den Weg ebnen. Oder es dir sehr, sehr schwer machen. Das liegt ganz bei dir.“
Sabine kniff die Augen zusammen, die noch einen Ton dunkler zu werden schienen, und plötzlich kam es mir schrecklich kühl im Raum vor. „Drohst du mir etwa?“
Ich zuckte mit den Achseln. „Wenn du es so nennen willst, dann ja.“
Sie hob die Augenbrauen. „Ich sollte jetzt eigentlich angepisst sein, aber irgendwie finde ich es eher zum Lachen.“
„Ich meine es ernst. Du lässt mich und Nash für die nächsten fünf Tage in Ruhe, oder ich mache ihm klar, dass ich unmöglich in Frieden ruhen kann, wenn ich weiß, dass ihr beide nach meinem Tod wieder zusammenkommt. Und dann musst du wirklich mit einem Geist konkurrieren. Wie findest du das? Gut genug für eine Drohung?“
Sie nickte feierlich. „Durchaus. Nicht schlecht für den ersten Versuch. Also, was kriege ich, mal angenommen, ich lasse dich … ihn haben?“
„Waffenstillstand. Ich verspreche, dir im Vorfeld keine Schwierigkeiten zu machen, sodass du nach meinem Tod dein Glück bei ihm versuchen kannst. Und du versprichst, mir bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keine zu machen.“
„Was, wenn ich ihn sofort will?“
Ich hob die Schultern. „Und ich will weiterleben. Sieht aus, als hätte das Universum unsere Wunschzettel durcheinandergebracht. Also, was ist jetzt? Waffenstillstand und meinen Segen für euch beide, sobald ich weg bin?“ Ich hatte erwartet, etwas wie das auszusprechen, müsste mich so aufwühlen, dass ich die Wände hochgehen könnte, doch erstaunlicherweise fühlte ich mich sogar ein wenig erleichtert. Denn die Wahrheit war, nach meinem Tod würde Nash Sabine brauchen. Seiner Sucht weiter zu widerstehen und clean zu bleiben fiel ihm so schon schwer genug, und wenn dann noch Trauer dazukam, musste ihm irgendwer helfen, standhaft zu sein. Und das war Sabine.
Sie blinzelte, und ich konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Sie wusste, was für ein einmaliges Angebot ich ihr da machte. Nash würde sich nicht verbieten, mit ihr glücklich zu werden, wenn er glaubte, es sei okay für mich. „Meinetwegen“, lenkte sie schließlich ein. „Aber ich komme dabei auf jeden Fall besser weg, das ist dir klar, oder?“
Ja, leider war es das. „Wie auch immer. Jetzt, wo wir uns einig sind, lass uns wieder zu Beck zurückkommen, ja?“
Sabine sah mich mit plötzlichem Argwohn an. „Bist du sicher, dass hier kein anderes Motiv mit reinspielt? Ich weiß ja, du willst das große J loswerden, bevor dich das große T von der Bildfläche putzt. Doch da Nash nicht sonderlich interessiert zu sein scheint, schaust du dich womöglich unbewusst nach Ersatz um. Und ich muss dir zu deinem Geschmack gratulieren. Beck wäre ein ziemlicher Leckerbissen, selbst wenn er nicht eine einzige tiefe Angst als Sahnehäubchen hätte. Aber warum suchst du nicht ein bisschen mehr in deiner unmittelbaren Nähe …?“
„Urrrgghh, du spinnst wohl, Sabine. Ich will doch nicht mit Beck schlafen!“ Bei der Vorstellung, er könnte tatsächlich etwas mit Danicas Unglück zu tun haben, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. „Und Nash ist interessiert.“
„Aber ihr habt es noch nicht getan?“
„Das geht dich nichts an.“ Ich stand auf und marschierte in Richtung Haustür.
Sabine zuckte bloß mit den Schultern, und ich hätte ihr am liebsten diesen selbstgefälligen Ausdruck vom Gesicht gewischt, mit dem sie mich musterte. „Er wird mir sowieso alles darüber erzählen, sobald du nicht mehr da bist, und die paar Tage kann ich auch noch warten, kein Problem.“
„Hast du gar kein Herz irgendwo da drin?“, fragte ich, die Hand bereits auf dem Türknauf.
„Nicht mehr. Ich habe es Nash geschenkt, lange bevor er dich überhaupt kennengelernt hatte.“ Es gelang ihr nicht, ihren Schmerz vollständig vor mir zu verbergen, aber zum ersten Mal in meinem Leben ließ mich fremder Kummer total kalt. Wie sie selbst gesagt hatte, in ein paar Tagen würde ich ihr nicht mehr im Weg stehen, und so lange konnte sie warten, bis sie sprichwörtlich über meine Leiche ging und an sich riss, was ich hatte
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