Beruehre meine Seele
jemand aus meiner direkten Umgebung entrissen werden würde, war einfach zu viel für mich.
Nach einer langen Pause antwortete Todd mir schließlich von allein auf die Frage, die ich nicht zu stellen wagte.
„Es geht um dich, Kaylee. Dein Name steht auf der Liste.“
2. KAPITEL
„Wo ist Styx?“ Ich drehte Todd und meinem Vater den Rücken zu und ging wie in Trance in Richtung meines Zimmers, die Augen fest geschlossen. Sie sollten nicht sehen, wie schockiert ich innerlich war. Sicherlich würde ich bald von quälender Todesangst erfasst werden, sobald die ganze Tragweite von Todds Aussage bis zu meinem Verstand vorgedrungen wäre. Aber im Moment fühlte ich mich wie betäubt und es fröstelte mich, so als hätte ich gerade einen Kopfsprung in kaltes Wasser gemacht, anstatt langsam hineinzuwaten und meinem Körper die Möglichkeit zu geben, sich an den Temperaturunterschied zu gewöhnen.
„Kaylee?“ Hinter mir hörte ich die Schritte meines Vaters, als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete und hineinging, während tausend Gedanken und Fragen mit einer Geschwindigkeit durch meinen Kopf schwirrten, dass mir davon übel wurde. „Hast du verstanden, was Todd gerade gesagt hat?“
„Natürlich, ich bin ja nicht taub.“ Obwohl das zugegebenermaßen keine Garantie dafür war, alles mitzubekommen, was Todd erzählte. Reaper konnten filtern, von wem sie gehört und gesehen werden wollten, und das ganz nach Belieben. Leider hatte Todd die schlechte Angewohnheit, sich meistens nur einer der anwesenden Personen in einem Raum zu zeigen – normalerweise mir.
„Ich glaube, sie befindet sich in einer Art Schockzustand“, sagte Todd, während ich unbeirrt den Boden, mein ungemachtes Bett und den Haufen dreckiger Wäsche auf meinem Schreibtischstuhl nach einem atmenden Fellknäuel absuchte.
„Styx?“, rief ich, doch nirgends rührte sich etwas. Todd erschien plötzlich vor dem Fußende des Bettes, gespannt auf meine Reaktion, und schien zufrieden, als ich erschrocken zusammenzuckte. „Ich bin nicht in einem Schockzustand, okay? Jedenfalls noch nicht. Also lass das gefälligst.“
Auf den ersten Blick hatten er und Nash nicht viel gemeinsam, abgesehen von ihrem athletischen Körperbau. Todds Augen waren blau, die lockigen Haare hellblond, wie bei seiner Mutter. Nash dagegen kam scheinbar nach seinem Vater, der leider gestorben war, lange bevor ich die beiden Hudson-Brüder kennengelernt hatte.
„Im Moment befinde ich mich im Stadium der Verleugnung, welches mir – ganz ehrlich – von allen Phasen, die man in so einem Fall durchläuft, am liebsten ist. Und ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr mich einfach noch ein Weilchen in Ruhe vor mich hin verleugnen lassen könntet, okay?“
Ich drängelte mich an meinem Vater vorbei, zurück in den Flur, und ging dann in Richtung Küche. „Styx, wo steckst du?“
„Ich habe sie vorhin in den Garten gelassen“, sagte mein Vater, während er mir in die Küche folgte. „Du weißt doch, sie mag Todd nicht besonders.“
„Muss wohl daran liegen, dass er nie was anderes mitbringt als schlechte Nachrichten und noch schlechtere Ratschläge“, giftete ich, mir vollkommen bewusst darüber, wie unfair ich mich ihm gegenüber verhielt. Natürlich konnte Todd nichts dafür, dass bald meine Nummer aufgerufen wurde.
„Das stimmt so ja nun auch nicht ganz.“ Todd versuchte zu lächeln, und insgeheim zollte ich ihm großen Respekt für seine tapfere Bemühung, die Stimmung aufzulockern, auch wenn ich es nicht zeigte. „Manchmal bringe ich auch leckere, ofenwarme Pizza mit, oder?“
Da die Tätigkeit eines Reapers – er löschte den letzten Lebensfunken der Sterbenden im örtlichen Krankenhaus und sammelte anschließend ihre Seelen ein – nicht in weltlicher Währung bezahlt wurde, hatte Todd sich einen Nebenjob als Pizzabote gesucht, um seine Finanzen aufzubessern. Womit er meinem Vorschlag gefolgt war, den ich vor ein paar Wochen im Scherz gemacht hatte, weil mir diese Arbeit für jemanden, der sich innerhalb eines Sekundenbruchteils von einem Ort zum anderen teleportieren konnte, ideal erschien.
Anfangs hatte die Tatsache, dass ein und dieselbe Person gleichzeitig Bote des Todes sowie frischer Peperonipizza sein konnte, mich irgendwie amüsiert. Aber jetzt, nach Danicas Fehlgeburt und mit der Aussicht auf mein eigenes baldiges Ableben, war mir das Lachen gründlich vergangen. „Styx ist wahrscheinlich schon halb am Verhungern“, brummelte ich und öffnete die
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