Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
einfach mal Glück haben?«, murrte Vlain. »Ohne die Vision wäre es mit Sicherheit schwieriger geworden. Wir müssen es als Zeichen nehmen.«
» So optimistisch bist du doch sonst nicht.«
» Allerdings, was ist heute los?«, grinste Crevi und tauschte einen wissenden Blick mit der Rebellin.
» Darf man nicht auch mal gute Laune haben?«
In geheuchelter Verärgerung verschränkte er die Arme vor der Brust.
Yve wurde wieder ernst. »Vielleicht hast du Recht und wir müssen es als Wink des Schicksals verstehen. Nur welcher Brunnen?«
Jayden stimmte ihr zu . »Wie viele Brunnen hat Lhapata?«
Das war in der Tat ein Problem . »Einige.«
» Wenn es ein Brunnenschacht war, dann ist es schon mal ein alter Brunnen«, zerstreute Crevi die aufkommende Mutlosigkeit. »Vielleicht sogar ein Brunnen, der außer Betrieb ist. Das verringert die Möglichkeiten schon mal.«
» Aber wir können unmöglich alle Brunnen in dieser riesigen Stadt absuchen. Wie sollen wir das anstellen?« Yve musterte Vlain abwartend. »Es wird kaum ein Verzeichnis aller alten Trinkwasserbrunnen geben.«
» Hm.«
» In der Tat. Ganz ehrlich, Crevi. Dein Vater könnte sich ruhig mal genauer ausdrücken«, brummte sie.
Vlain stimmte ihr da im Stillen zu. Joseph Sullivan war schon immer ein sehr spezieller Mensch gewesen. So hatte er ihn auch vor all der Zeit kennengelernt. Es war wohl niemand besonders glücklich über die Eigenarten des Mannes gewesen, denn wohlmöglich würden diese ihnen allen noch zum Verhängnis werden.
»Vlain, was sollen wir jetzt machen?«
Wieso dachte bloß jeder, er wisse immer, was zu tun sei?
» Abwarten.«
Crevi verzog das Gesicht . »Worauf denn?«
» Auf weitere Hinweise.«
» Das klingt sehr vielversprechend«, stellte Yve sarkastisch fest.
» Andere Vorschläge, Miss Catah?«
» Nein, nein. Schon gut. Warten wir eben ab.«
Wie er es hasste, sich ganz auf das einzulassen, was das Schicksal für einen bereithalten mochte. Aber wie oft blieb einem denn nichts anderes übrig? Wer kannte dieses Gefühl nicht? Es gab Momente, da musste man einfach der Dinge harren, die alles verändern mochten. Man konnte nie wissen, was die Zukunft für einen bereithielt. Man fragte sich, ob man sich wieder vertragen würde, ob man die Prüfung bestände, ob man die neue Stelle bekäme, ob der Geliebte e inen am nächsten Tag noch genauso lieben würde, wie zuvor. Aber für all diese Dinge gab es nur eine Lösung.
Manchmal schien es Vlain, als bestehe das halbe Leben nur daraus zu warten.
17. Adrian Ravent
Gegen Abend erreichten sie das eindrucksvolle Anwesen der McDares. Einen Fußmarsch von zwanzig Minuten lag das Herrenhaus von der Stadt entfernt. Dunkle mit Efeu bewachsene Mauern und Gebäude aus Ziegelstein, die allesamt miteinander verbunden schienen, ragten vor ihnen auf und versprachen, trotz der enormen Größe, eine behagliche, wenn auch etwas düstere Unterkunft. Schmale Schwindel erregende Türme und rauchende Schornsteine tauchten in dem Gewirr aus Schieferdächern auf, die edel anmuteten.
Ein eisernes schwarzes Tor hieß sie auf einem Hof willkommen, in dessen Mitte ein Springbrunnen stand, der dem, den Crevi auf dem Jahrmarkt gesehen hatte, gar nicht so unähnlich war. Gesäumt wurde der gepflasterte Weg von mystischen Heckenwesen und marmornen Skulpturen. Unwillkürlich musste sie an die Ereignisse auf dem Zirkel denken.
Wenngleich Crevi schon des Öfteren bei Adeligen zu Besuch gewesen war, so unterschied sich die Villa der McDares so sehr von jenen Palais, die sie aus dem Süden gewöhnt war, dass sie ein beklemmendes Gefühl erfüllte. Das erinnerte sie an das, was bei ihrem letzten Besuch einer Aristokratenfamilie geschehen war. Es war der Todestag ihres Vaters gewesen.
Zum Glück war Vlain dicht an ihrer Seite.
Sie liefen die Auffahrt hinauf und links an dem Brunnen vorbei, bis sie zu einem Treppenaufgang kamen, der von zwei steinernen Wasserspeiern flankiert wurde. Aus irgendeinem Grund überlief Crevi eine Gänsehaut, als sie an den Skulpturen vorbeigingen. Vlain bemerkte ihre Unruhe, sprach sie aber nicht darauf an, wofür sie ihm dankbar war. Sie hätte ihr eigenes Unbehagen nicht in Worte fassen können.
Vor der zweiflügligen Haustür standen zwei Wächter, die ihnen höflich Platz machten und sie hindurch baten. Dahinter traten sie in eine große Halle, deren Boden schwarzweiß gefliest war. Ein Kronleuchter hing von der Decke und tauchte den kleinen Saal gemeinsam mit weiteren
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