Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
erlauben, ehrlich zu ihr zu sein.
Seufzend sog ich den Geruch der von mir geliebten Bücher ein. Das Pergament der älteren Ausgaben verströmte ein äußerst eigentümliches Odeur, das einen gedanklich um Jahre zurückversetzen konnte. Tausende Regale, die unter dem Gewicht der Folianten, Novellen, Sachbücher, Dramen und Romane ächzten, säumten die Wände und ließen an keiner einzigen Stelle einen Blick auf die Tapete erhaschen. Es gab Bibliotheksleitern, um die oberen Bereiche erreichen zu können und Sitzgruppen mit altmodischen Sesseln, deren Bezug aus dunkelgrünem Seidenstoff bestand. Einige besonders wertvolle Einbände waren sicherheitshalber hinter Vitrinen verborgen und diese wurden nur auf ausdrücklichen Wunsch hin geöffnet. Abgerundet wurde das Bild durch ein altes Lehrpult, das als Verkaufstheke diente und auf dem eine silberne Geldkassette stand.
Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen wanderte ich eine Regalreihe entlang auf der Suche nach einigen Aufzeichnungen, die Crevi und ihren Freunden eventuell weiterhelfen könnten. Noah hatte mir großzügig seine Hilfe angeboten, indem er die Familienbücherei auf seinem Anwesen ebenfalls nach einem Verzeichnis der Trinkwasseranlagen von vor hundert Jahren durchsuchte. Er hatte mir mitgeteilt, sein Großvater wäre an der Planung für die Versorgung der Stadt beteiligt gewesen, und deswegen hoffe er, fündig zu werden.
Nun gut. Wir mussten jede erdenkliche Hilfe annehmen.
Noah war ein guter Verbündeter. Miss Bostwick und Liwy mussten gelogen haben, als sie behaupteten, er habe sich auf die Seite der Bande geschlagen.
Oder Myriam hatte diesmal besonders gute Arbeit geleistet, als sie sich heimlich mit ihm getroffen hatte. Überhaupt, musste wohl einmal gesagt werden, dass mein Sch atten immer gute Arbeit leistet. Nicht zuletzt war sie zur Stelle gewesen, um Vellény McDares Teilhabe an unwillkommenen Ereignissen ungeschehen zu machen.
Dies brachte mich wieder zu Crevi und nachdenklich verweilte ich einen Moment. Meine Augen huschten über die Buchrücken, während ich gedanklich ganz mit der jungen Frau beschäftigt war. Aus irgendeinem Grund ließ sie sich nicht von unseren Tricks täuschen. Was mich zu der Annahme kommen ließ, sie wäre gegen unsere Art von Magie immun. Ich fragte mich, ob sie sich selbst bewusst war, wie außergewöhnlich diese Gabe war – und ob Miss Bostwick ebenfalls von dieser Besonderheit ahnte oder bereits Wind bekommen hatte.
Ich überprüfte kurz die Uhrzeit. Die antike, nicht mehr ganz durchsichtige Wanduhr, mit dem verkratzten Glas und den großen schweren Zeigern, zeigte zwanzig nach neun. Ob Miri wohl bereits auf dem Weg hierher war? Ich hatte sie gebeten zugegen zu sein, damit ich sie Crevi offiziell vorstellen konnte.
Doch anstelle des Bewusstseins meines Schattens, schob sich ein anderes, ebenfalls so vertrautes in meine Reichweite. Ich konnte sie bereits von weitem spüren . »Na, endlich«, murmelte ich und beschloss kurzerhand ihr entgegen zu gehen.
Ich griff nach meinem Flickenmantel und trat hinaus auf die Straße.
Fast augenblicklich wehte mir ein kalter Wind um die Nase, der meine Zottelhaarfrisur, wäre sie nicht bereits völlig durcheinander gewesen, mit Sicherheit ruiniert hätte. Schnell knöpfte ich den Mantel zu, schlug den Kragen hoch und machte mich mit langen Schritten auf den Weg.
Kaum jemand, der mir begegnete, beachtete mich, da ich in diesem Stadtteil Lhapatas, der den klingenden Namen Helensham trägt, häufig gesehen werde.
Gleich darauf entdeckte ich Crevi. Und sie mich.
Ihre Schritte wurden schneller und geschickt schob sie sich an einem Mann, der ihr noch die Sicht auf mich versperrte, vorbei. »Adrian!«, rief sie und ehe ich mich versah, war sie mir um den Hals gefallen und ich hob sie ohne große Schwierigkeiten von den Füßen, wirbelte sie einmal im Kreis.
Diese stürmische Begrüssung kam auch für mich unerwartet .
Vorsichtig setzte ich sie wieder ab, schaute sie leicht verlegen an. Nun sahen doch einige Passanten in unsere Richtung, was ich geflissentlich ignorierte. Es tat gut, sie wieder bei mir zu wissen. Neckisch zupfte ich an einer ihrer Strähnen und legte ihr meine große Hand auf die Schulter . »Crevi, gut, dass du gekommen bist.« Ich konnte den Reflex, sie von oben bis unten anzusehen, nicht unterdrücken. Sie trug einen dicken schwarzen Pullover, dazu einen leicht bauschigen grauen Rock, der ihr bis zu den Knien reichte, eine gleichfalls schwarze
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