Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
die Vision besaß.
Vlain hingegen hatte das Gesicht seiner Rettung deutlich vor Augen und noch immer grübelte er über den Namen der Frau. Sie war eine Hexe, das wusste er noch. Nur wann waren sie sich das letzte Mal begegnet? Dass sie es auch so spannend machen musste. Hexen! Hätte sie ihm denn nicht sagen können, mit wem er es zutun hatte?
» Was sagt die Vision, Jayden?«, wandte sich nun auch Crevi an ihn. »Betrifft es uns?«
» Ich weiß es nicht mehr.«
» Es war eine Einmalvision«, erklärte Vlain den beiden Frauen. »Das bedeutet, dass er sie in eben jenem Moment hätte aussprechen müssen, in dem er sie gehabt hat. Nun weiß er nicht mehr, was er gesehen hat. All das ist unwiderruflich verloren und niemals wieder abrufbar.«
» Na wunderbar. Und jetzt?« Crevi zog die Nase kraus, wie er es bis jetzt nur sie hatte tun sehen.
» Ich habe ein wenig von dem, was er gesehen hat, miterlebt.« Er fand, dass er es seinen Begleitern eröffnen sollte.
» Du warst in meinem Kopf«, empörte sich Jayden.
» Ja, das stimmt wohl.« Vlain setzte eine ernste Miene auf. »Es gab keine andere Möglichkeit. Glaub mir, ich habe das nicht gerne getan.« Noch immer war ihm ein wenig übel. »Wenn es dich beruhigt, ich habe nichts anderes wahrgenommen außer deiner Vision. Ich bin nicht besonders bewandert darin, in das Bewusstsein eines anderen Menschen einzudringen; es erschien mir nur der einzige Weg, etwas von der Vision zu retten.«
» Und was hast du gerettet?« Yve wurde ungeduldig.
» Ich bin auch kein Visionär. Vielleicht gebe ich das Gesehene völlig falsch wieder.«
» Komm, raus mit der Sprache.«
» Da war…irgendein Schacht in den es ganz tief hinab ging und an dessen Ende Wasser war«, begann er. Es behagte ihm wahrlich nicht, sich schon wieder auf das Terrain einer Gruppierung zu begeben, der er nicht angehörte und deren Fähigkeiten er nur amateurhaft beherrschte. »Wir waren auf der Flucht. Irgendein Übel verfolgte uns. Und da war eine Stimme, die sagte, dass >sie< sterben müsse. Ich habe nur einen Bruchteil der Vision zu Gesicht bekommen. Und ehrlich gesagt, hat mir das völlig ausgereicht.« Vlain schüttelte sich und nickte Jayden respektvoll zu. »Es ist mir wirklich schleierhaft, wie man Derartiges des Öfteren aushalten kann.«
» Hm.«
» Hat es nun etwas mit uns zutun?« Crevi hatte sich ein eindeutigeres Ergebnis erhofft.
Er zog sie zu sich heran und legte einen Arm um sie . »Ich weiß es nicht.«
» Der Schacht…«, murmelte sie plötzlich. »…er mündete tatsächlich ins Wasser?«
Ein Nicken.
Crevi wurde ganz aufgeregt, was Vlain nicht so gut gefiel. Lieber hätte er gehabt, die Vision hätte nichts mit ihnen zu tun. »Im Brief meines Vaters erwähnt er dunkle Fluten und die Tiefen der See . Könnte es damit zusammenhängen?«
» Du meinst wegen des Wassers?« Yves Augen hatten zu leuchten begonnen, wie sie es immer taten, wenn das Heilmittel erwähnt wurde.
» Das Meer wird nicht gemeint sein«, warf Jayden ein.
Crevi nickte . »Das habe ich mir auch schon gedacht.«
So gut er konnte, rief Vlain sich das, was er gesehen hatte erneut ins Gedächtnis. Sollte in der Vision tatsächlich des Rätsels Lösung verborgen sein? Ein Schacht… Wie hatten die Wände ausgesehen? Es könnte sich um einen bestimmten Ort gehandelt haben, oder? »Ich habe es«, entfuhr es ihm. »Es war ein Brunnen. Jayden und ich sind in einen Brunnen gefallen.«
» Das könnte es gewesen sein.« Der Bettler schien kein greifbares Bild vor Augen zu haben, aber das Gefühl und der Eindruck des Fallens zeichneten sich erneut in seinen Zügen ab.
» Also müssen wir nach einem Brunnen suchen?«
» Wenn es denn wirklich mit uns zusammenhängt, Yve.« Crevi zückte ihr kleines Notizbuch, in dem sie die Briefe aufbewahrte. »Lasst uns noch einmal nachlesen. Hier steht: Manchmal muss man an dunkle Orte, in die Tiefen der Welt. Dort, wo man von kaltem Stein umgeben ist und die Hoffnung gar so fern scheint. Manchmal findet man nur dort einen Funken Licht. Und das Gedicht. Perlen sind Geheimnisse, aus den Tiefen der See. In dunklen Fluten verborgen warten sie – o weh! «
» Von kaltem Stein umgeben«, zitierte Vlain und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Wäre das Meer gemeint, würde man uns nicht nach Lhapata geschickt haben. Demnach könnte es sich um einen Brunnen handeln.«
Yve war skeptisch, wie es sonst gar nicht ihre Art war . »Ist das nicht zu einfach?«
» Kann man nicht auch
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