Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
weiter.«
Jetzt, da Ennyd den Hut wieder aufgesetzt hatte, war der Zauber, der von ihm ausgegangen war, verschwunden und nickend deutete Crevi in Richtung der Brücke . »Wir müssen wirklich los.«
» Wo müssen Sie denn hin? Ich könnte Sie begleiten«, bot er ihnen Hilfe an. »Die Straßen hinter der Brücke werden von den seltsamsten Gestalten unsicher gemacht.«
Yve durchbohrte ihn mit einem vernichtenden Blick . »Und Sie sind nicht zufällig eine von denen?«
Sofort fiel Crevi auf, dass ihre Freundin sich noch nie derart misstrauisch und unfreundlich jemandem gegenüber verhalten hatte. Das war eindeutig neu und sah Yve überhaupt nicht ähnlich.
»Sie sind nicht sehr höflich, Miss«, stellte er fest. »Wirklich tragisch, dass man mir stets mit Argwohn begegnet. Dabei bin ich ein ehrlicher Dieb, der nur die besten Absichten verfolgt.«
Crevi stoppte. Eiseskälte kroch in ihre Glieder, je länger sie ihn ansah, also schaute sie schnell auf ihre Stiefelspitzen . »Sie sind ein Dieb?«
» Habe ich das gesagt?«
» Ja.«
» Sicher?«
» Ja!«
Was sollte dieses Spiel? Wachsamer verfolgte sie nun jede seiner Bewegungen. Nachdenklich kratzte er sich das glatt rasierte Kinn und pfiff dann leise . »Bedauerlicherweise.«
» Bedauerlicherweise was?«
» Bedauerlicherweise bin ich ein Dieb.« Betroffenheit spiegelte sich in seinem Auge wider und er steckte die Hände in die Taschen seines schwarzen Jacketts. Crevi fand, dass er recht edel, aber nicht gleich wohlhabend aussah. Äußerst merkwürdig und doch so faszinierend.
Ennyd Riddle bemerkte, wie sie ihn beäugte, und seine Mundwinkel kräuselten sich. »Ah, kleine Lady, Sie erkennen mein wahres Wesen.«
Ertappt zuckte Crevi zusammen, sagte schnell: »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
» Nun denn. Wir sollten diesen Ort hier verlassen. Es erregt nur die Aufmerksamkeit der Nachgestalten, die in den dunklen Hauseingängen auf Beute lauern, wenn man allzu lange untätig herumsteht.« Er drängte sie beide in Richtung Brücke. »Und das wollen wir ja nicht. Nein, nein. Es ist nicht gut, in einer Gegend wie dieser lange zu verweilen.« Von seinen Worten beschwingt fügten sich Crevi und Yve und zu dritt betraten sie die Brücke mit den mächtigen Pfeilern, die stolz über ihnen aufragten. »Ein Meisterwerk, oh ja«, kommentierte Ennyd, der es offensichtlich genoss, seine eigene Stimme zu hören. »Damals als ich in die Stadt kam, war sie genauso prächtig wie jetzt. Geheimnisumwittert, uralt.«
Crevi wurde nicht schlau aus seinen Worten, beschloss aber, ihn nicht zu unterbrechen und ihn im Stillen zu beobachten. Kurz versicherte sie sich mit einem Blick zurück, dass ihnen keiner folgte. Erleichtert drehte sie sich wieder um.
Kurz fragte sie sich, wo Vlain und Jayden sein mochten.
Waren die beiden Männer ihnen bereits so weit voraus gewesen?
Andernfalls müssten sie doch an ihnen vorbei gekommen sein, während sie vor der Brücke gewartet hatten.
Für eine Sekunde kam ihr ein schrecklicher Gedanke, den sie schnell beiseite schob.
Nein, ihnen war nichts geschehen!
Daran glaubte sie ganz fest.
Crevi konnte einfach spüren, dass es Vlain gut ging.
» Wohin kann ich die Ladys denn bringen?«, erkundigte sich ihr neuer Begleiter taktvoll.
» Burggrafen-Platz.« Yve verschränkte mürrisch die Arme, schien aber eingesehen zu haben, dass es nicht so einfach werden würde, den seltsamen Mann so bald wieder loszuwerden.
Crevi schwindelte, wenn sie daran dachte. Was führte der Kerl im Schilde?
»Tatsächlich?«
Die Rebellin nickte.
»Ich wohne dort ganz in der Nähe«, bemerkte Ennyd.
» Also sind Sie doch eine der kuriosen Gestalten, von denen man sich hier erzählt.«
» Bin ich kurios?«, fragte er mit Unschuldsmiene.
Mehr als das , gab Crevi ihm im Stillen Antwort. Er sah sie an, als hätte er ihre Gedanken gelesen, erwiderte aber nichts.
Und dennoch fühlte sie, dass sie dem Mann vertrauen konnten. Ebenso wie sie zuvor wusste, dass es Vlain gut ging. Sie verspürte nicht die geringste Angst, wenngleich ihr Verstand sie schreiend zur Achtsamkeit rief. Hieß es nicht, man solle nicht mit Fremden sprechen? Und schon gar nicht, solle man mit ihnen mitgehen.
Das war es, was ihr Vater ihr, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, stets eingeschärft hatte. Aber sie war kein kleines Mädchen mehr und ihr Vater war tot.
»Die Frage erübrigt sich«, grinste Yve frech.
Ennyd überging sie, spähte wachsam in die Nischen, die ihren Weg
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