Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

hier?«
    » Weil sie wusste, dass wir ebenfalls hierher kommen würden«, grummelte Myriam.
    Vlain fuhr sich mehr als nur beunruhigt durch die Haare. Crevi bekam fast Angst, als sie verfolgte, wie er rastlos im Kreis lief und die pure Verzweiflung aus seiner Gestik sprach . »Was bedeutet das?«, stellte er die Frage in den Raum.
    Crevi konnte nicht anders, als auf ihn zuzugehen, ihn festzuhalten, seine Hand zu ergreifen und ihn spüren zu lassen, dass sie da war. Als sich ihre Blicke trafen, waren seine tiefbraunen Augen so ernst und besorgt, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Sie biss sich auf die Lippe. »Aber«, stammelte Crevi an niemand bestimmten gerichtet, »was ist mit der Abmachung? Ich dachte, die Gefahr wäre vorerst gebannt. Oder nicht?«
    Niemand antwortete ihr.
    Da durchschnitt ein einziger Schrei die Stille. Wir alle fuhren zu Ennyd herum, der panisch auf etwas außerhalb unserer Reichweite zeigte.
    Dann sah auch Crevi es . »Da!«, rief sie und konnte den Blick nicht mehr von der monströsen Kreatur losreißen, die auf einem Dachgiebel hockte und uns aus schneeweißen Augen beobachtete.
    Viel länger war ihr der Anblick auch nicht vergönnt, denn wie aus dem Nichts schälten sich bewaffnete Männer . »Es sind nur Menschen«, stellte mein Schatten fest. Gleich darauf trat einer von ihnen vor und gab den Befehl, die Armbrüste in Anschlag zu nehmen.
    » Ennyd Riddle«, hallte eine selbstsichere Stimme über den Hof und ließ uns alle irritiert innehalten. »Sie und Ihre Verbündeten sind verhaftet!«
    Crevi verstand gar nichts mehr. Hilflos suchte sie in Vlains Gegenwart Halt, aber auch er war nicht minder ratlos . »Was geschieht hier?«, flüsterte sie so leise, dass nur er es hören konnte.
    » Ich weiß es nicht.«
    » Bitte, bleib bei mir«, ihre Stimme begann zu zittern. 
    Ohne zu zögern meinte er fast feierlich : »Was auch kommen mag.«
    Sie lächelte still.
    Ihr fiel auf, dass auch mein Schatten und ich enger aneinander gerückt waren.
    Der Gedanke kam spontan und fast tat Crevi der Mann, dessen Name ein Rätsel war, leid.
    Myriam und ich.
    Yve und Jayden.
    Sie und Vlain.
    Nur Ennyd Riddle war allein und schaute angstvoll in die Runde.
    Welch sonderbarer Moment.
    Schnell verflog der Zauber, als der Hauptmann der Stadtwache, der er zweifelsohne war, sich dem Dieb näherte, und zwei seiner Leute Anweisung gab, ihn in Handschellen zu legen. Weitere Soldaten lösten sich aus der Dunkelheit, näherten sich uns.
    » Was haben sie vor?«
    » Sie wollen uns verhaften«, mutmaßte Vlain.
    Crevis Stirn legte sich in Falten und verlangte eine stumme Erklärung.
    »Sie halten uns für die Verbündeten des Diebes. Das Ganze war eine Falle.«
    » Ich hoffe, das muss ich nicht verstehen.« Nervös spielte sie an ihrem Ring herum und strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. »Und wir lassen das geschehen?«
    » Gute Frage.« Der Dämon sah abwartend zu mir und Miri hinüber, als müssten wir die Lösung wissen.
    Crevi bemerkte, wie wir einen kurzen Blick tauschten.
    Mein Schatten schüttelte energisch den Kopf, was sowohl ein ja als auch ein nein sein konnte. Das merkte sie wohl selbst. Versuchte es noch einmal. Diesmal lächelte sie verschlagen, was so gar nicht zu ihrem sonst so großmütterlichen Gesicht passte, und schlug die geballte Faust in die geöffnete Handfläche.
    » Wir schlagen also zu«, fasste Crevi die Geste in Worte und versuchte, Yves Aufmerksamkeit zu gewinnen, um sie davon in Kenntnis zu setzen. Diese nickte ihr zu,  als Zeichen, dass sie verstanden hatte.
    Als der erste Soldat Myriam die Hände auf den Rücken binden wollte, schleuderte ihn eine unsichtbare Macht zurück und ließ ihn gegen einen seiner Kumpane fliegen.
    Dann brach die Hölle los.
    Mit Schrecken erkannte Crevi, wie Schwerter gezogen wurden, die Wachen sich unverständliche Dinge zubrüllten und Armbrüste zum Einsatz bereit machten. Überall strömten mit einem Mal Männer auf den Platz, hielten auf sie zu.
    »Komm!«, rief Vlain. Er zog Crevi mit sich, an einem noch ganz verdutzten Soldaten vorbei, der nicht einmal daran dachte, sie aufzuhalten. Die Verwirrung kam ihnen zur Hilfe.
    Sie rannten auf den Brunnen zu.
    Männer brüllten um sie herum, Waffen klirrten. Alles verwandelte sich in Windeseile in ein Schlachtfeld, über das Crevi schnell den Überblick verlor. Sie klammerte sich an Vlain, den einzigen, den sie nicht aus den Augen verloren hatte.
    Irgendjemand schrie die Worte »Hexe« und