Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
kreuzten . »Es ist zum Glück nicht sehr weit. Selbst mir sind die Straßen manchmal nicht ganz geheuer.«
» Das will was heißen.«
» Yve«, wandte Crevi sich eindringlich an ihre Freundin und zog sie ein wenig bei Seite. »Du solltest aufhören, ihn zu verärgern. Bisher scheint er uns freundlich gesonnen.« Ennyd tat, als hätte er sie nicht vernommen, aber so sicher war Crevi sich da nicht. »Wir müssen unser Glück ja nicht unbedingt herausfordern.«
Widerwillig brummte die Zurechtgewiesene ihre Zustimmung und verhielt sich fortan still.
»Darf ich nach Ihren Namen fragen?« Ennyd schielte beiläufig zu Yves Degen hinüber, als fürchte er sich vor der Waffe oder schätze ab, ob sie im Fall einer Bedrohung gute Dienste leisten würde. Das war nicht direkt zu sagen.
» Lieber nicht«, gestand Crevi ihm ernst.
» Ich verstehe. Jeder hütet seine eigenen Geheimnisse.« Er lächelte rätselhaft und machte seinem Namen Riddle dabei alle Ehre. »Wir sind gleich da!«
Die letzten Meter legten sie im Laufschritt zurück, bis hinter der nächsten Hütte ein kleiner Marktplatz auftauchte, der wohl schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Allerlei Unrat wehte über den Hof und überquellende Mülltonnen lagen umgekippt in einer Ecke. Allgemeiner Verwesungsgeruch erfüllte die Luft und erzählte seine eigene traurige Geschichte.
Die Eindrücke schwanden mit einem Schlag, als Crevi die vier Gestalten gewahrte, die vor dem alten Brunnen standen. In der hinteren Hälfte des Hofes.
»Was zum…? Was hat das zu bedeuten?«, entfuhr es Ennyd.
Eine der Gestalten löste sich aus der Gruppe und kam auf sie zu.
»Vlain…?«, wagte Crevi ihre Vermutung laut zu äußern. Es war verrückt, aber sie konnte fühlen, dass er es war.
» Ja.« Jetzt war es unverkennbar.
» Ihr steckt mit denen unter einer Decke!«, durchschnitt Ennyd mit zitternder Stimme die Stille und starrte sie und Yve fassungslos an, als habe er soeben Gespenster erblickt.
Die Situation hatte eine äußerst seltsame Wendung genommen. Hatte Crevi zunächst geglaubt, sie und Yve wären die möglichen Opfer des Mannes, so war plötzlich er es, der sich verhielt, als hätten sie ihn in eine Falle gelockt.
» Mit denen?«, wollte auch Yve wissen und sah unruhig zu Vlain und den anderen drei Gestalten hinüber.
» Ihr habt sie hergeführt!« Der Mann mit den goldenen Locken und dem seltsamen Hut klang wie von Sinnen. »Ihr…macht gemeinsame Sache mit dem Rat! Ihr habt mich an sie verraten, weil ihr es gewusst habt.«
» Was gewusst?« Vlain musterte Ennyd verwirrt.
» Ihr wisst genau, was ich meine! Ihr habt es gewusst…ihr wisst, dass ich ein Teufelskind bin, und deswegen seid ihr gekommen, um mich zu töten.« Sein eines Auge war schreckensgeweitet. Er wich in die andere Ecke des Hofes zurück.
Eine alte, blecherne Stimme aus den Schatten wurde laut . »Weiß irgendjemand, wovon er redet?« Crevi brauchte nur wenige Sekunden, um die Sprecherin zu identifizieren. Myriam…aber was tut sie hier? Sofort wurde ihr bewusst, dass es sich bei der größeren der noch schwarzen Figuren um mich handeln musste.
» Die blonde Frau…«, flüsterte Ennyd. »Sie hat mich gewarnt, dass ihr kommen würdet.«
» Unsere Vorahnung war also berechtigt«, sagte ich nur und trat gemeinsam mit Jayden zu den anderen, um den lebenden Beweis, der uns in Form von Ennyd Riddle geschickt worden war, zu begutachten.
» Ich würde gerne mal wissen, was hier vorgeht«, verlangte Yve unsicher, wie Crevi sie selten erlebt hatte. Ihre Augen huschten zu mir und Myriam, dann wieder zu Ennyd, bis sie an Jayden hängen blieben, der beruhigend auf sie zutrat und sie in die Arme nahm, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.
Crevi sagte nichts, wunderte sich aber im Stillen. Er murmelte ihr leise Worte zu, die sie nicht verstehen konnte, beteuerte ihr augenscheinlich, dass auch er nicht genau wisse, was das alles zu bedeuten hatte.
Wer wusste das schon?
Crevi fühlte sich ebenso vor den Kopf gestoßen, wie ihre Freundin. »Was für eine Vermutung?«, wandte sie sich an mich. »Und von welcher blonden Frau ist hier die Rede?«
Es war ein so irrealer Augenblick, wie sie ihn seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr erlebt hatte. Alle waren wir plötzlich hier. Genau an diesem Ort. Irgendwo in einem unheiligen Armenviertel, kurz vor der Vollmondnacht an einem Tag im Herbst.
»Liwy.«
Nur dieses Wort schwebte unheilschwanger zwischen uns in der Luft.
»Sie war
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