Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
»vernichten« und sie hörte das Sirren von fliegenden Bolzen.
» Wir müssen ihnen helfen«, meinte Crevi und blieb stehen. »Wir…wir können uns doch nicht einfach davonstehlen!« Sie versuchte, sich ein Bild von der Lage zu machen. Schier aussichtslos.
Überall kreischten Soldaten, wirbelten in hohem Bogen durch die Lüfte. Einige von ihnen wechselten urplötzlich, Marionetten gleich, die Seite.
Wieder andere stürmten auf Yve und Jayden zu, die sie inmitten des Getümmels gewahrte. Die Rebellin schlug geschickt und erbarmungslos zu. Dabei deckte ihr der Bettler den Rücken.
Crevi hoffte inständig, dass niemandem etwas geschah.
Ein ohrenbetäubendes Klirren zerriss die Luft, als die schmutzigen Scheiben der schemenhaften Schuppen am Rande des Platzes in die Brüche gingen und Scherben und Glassplitter durch die Luft wirbelten. Sich wie tödlich kleine Geschosse in die Soldaten bohrten!
Spitze Schreie gellten hier und da, wenn jemand von einem brennenden Splitter getroffen wurde. Weniger Glückliche kreischten gellend auf, als sie den Glasstaub in die Augen bekamen, der ziellos seine Opfer forderte.
Erschrocken wirbelte sie herum, als jemand ihren Namen rief. »Crevi«, fuhr Vlain sie an und brachte sie dazu, ihm zu folgen. Sie wusste nicht, wie lange sie regungslos verharrt hatte. Wie lange sie… Schnell schüttelte sie den unliebsamen Gedanken ab. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass sie etwas mit dem zersplitternden Glas zu tun hatte. Doch das war gänzlich unmöglich, oder?
Da riss ein Mann direkt vor ihr eine Lanze in die Höhe.
Crevi schnappte nach Luft.
Es ging zu schnell, als dass sie es genauer erfassen konnte. Im nächsten Moment sank der eben noch sehr aggressive und lebendige Soldat in sich zusammen, spuckte dunkles Blut und drückte die leichenblassen Hände gegen seine aufgerissene Kehle, die eine Klaue zerfetzt haben musste.
Kreidebleich im Gesicht sprang sie von dem Toten zurück. Intensiv schlug ihr der Geruch von Blut entgegen und ließ sie schwindeln. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie noch nie in ihrem Leben einen Menschen getötet hatte.
Schon stolperte sie fort von der Leiche, ließ sich ganz von Vlain führen. Klebrige Finger umschlossen ihre Hand und in taumelndem Schrecken gefangen erkannte Crevi, dass es sich bei der zähen Flüssigkeit um Blut handelte. »Wohin?«, murmelte sie und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten. Sie klang panisch.
» In den Brunnen«, war die Antwort.
Sie versuchte , das Gleichgewicht zu bewahren. Alles drehte sich und der allgegenwärtige Geruch des Todes hing boshaft über dem Platz.
» Wir sind fast da.«
Sie nickte schwach, erkannte urplötzlich wie aus dem Nichts etwas Glänzendes auf sie zuhielt. Ein stechender Schmerz entbrannte an ihrer Schläfe, ehe sie erfasste, was überhaupt geschehen war. Bevor aber ein Schrei ihren Lippen entwich, wankte Vlain gegen sie . »Verdammt«, schimpfte er und brach das Geschoss, das aus seiner Schulter ragte, ab, als wäre nichts Bedeutsames geschehen. »Keine Sorge, tut nicht weh.« Bevor Crevi etwas erwidern konnte, tupfte er mit dem Ärmel seines Hemdes über ihre Stirn und meinte: »Sieht nicht so schlimm aus. – Komm!«
Endlich erreichten sie ihr Ziel, den einzig ruhigen Ort in diesem Durcheinander, wie es ihr in ihrem tranceartigen Zustand schien.
Crevi stützte sich auf den Rand des Brunnens, ließ den verschleierten Blick über die Szenerie schweifen, die so unwirklich wie in einem Traum wirkte. Warm lief etwas an ihrer Wange hinab und als sie es fortwischte war ihr Ärmel rot.
Die Zahl der Feinde hatte sich drastisch reduziert. Gerade fragte sie sich, wie ihre Chancen standen, als sie jäh an der Schulter gepackt wurde.
»Los, hinein!«, stieß eine keuchende Stimme hervor, die nicht Vlain gehörte. Sie schreckte auf und erkannte das Gesicht mit den Engelslocken, nur verdreckter und verzerrter als zuvor. »Ennyd…«
» Wie tief ist es?«, verlangte Vlain von ihm zu wissen.
» Man kann ohne Gefahr springen!«
Es war schwer zu sagen, ob ihn die Neuigkeit erfreute oder nicht . »Du zuerst«, forderte er den Fremden auf.
Dieser hob zu einer Erwiderung an, da brachte ein böser Blick ihn zum Schweigen. Selbst Crevi wurde unwillkürlich kälter. Eine ihr völlig neue Seite spiegelte sich in den Augen ihres Freundes, die nicht viel Menschliches mehr an sich hatte.
» Schon gut«, stammelte Ennyd und schwang eilig ein Bein über den Brunnenrand. Er behielt Vlain dabei genau im
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