Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Auge, als stände er einer leibhaftigen Bestie gegenüber. »Bin dabei.«
Beruhigend legte Crevi Vlain eine Hand auf den Arm, die er sogleich unwirsch abschüttelte, fast so, als könne er ihre Berührung kaum ertragen. Verwirrt sah sie ihn an, da schrie der Dieb so schmerzerfüllt auf, dass alles andere aus ihrem Kopf fegte.
Heulend und fluchend presste er sich die Hände auf den Bauch, aus dem ein Geschoss ragte. »Geht schon«, log er wenig überzeugend und stieß sich ab.
Dann verschwand er in der Tiefe.
Crevi schaute ihm nach, vernahm Sekunden darauf ein Plätschern, das von einem Aufprall kündete. »Jetzt du«, befahl Vlain so herrisch, dass es nicht im Entferntesten wie eine Bitte klang.
» Ich will aber nicht«, wurde ihr voller Angst bewusst.
» Crevi…«, knurrte er.
Nur ihren Namen, aber das war Aufforderung genug.
Sie schluckte schwer und als ein weiterer Bolzen knapp an ihrem Gesicht vorbei zischte, fasste sie sich ein Herz, schloss die Augen und ließ los.
Mit einer Mischung aus Erleichterung und Besorgnis starrte er noch eine Weile auf das dunkle Loch, in dem seine Schutzbefohlene verschwunden war. Fest davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, wandte er sich schließlich ab.
Seine Kehle fühlte sich rau und trocken an. Sie juckte wie verrückt und verlangte unaufhörlich danach, seinen Durst zu stillen. Überall stieg der warme Dampf toter und verblutender Körper auf und schlängelte sich wie das süßeste aller Aromen in seine Nase. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Er war heilfroh, dass Crevi sich nicht länger in seiner Reichweite befand.
Der Drang war äußerst stark. Was gab es schließlich, das verlockender war, als ein unaufgeräumtes Schlachtfeld, Leichen, die nur darauf warteten, gefressen zu werden?
Oh ja, Vlain. Wir wollen es! Gib es uns, wir brauchen es , säuselte sein Dämon voller Entzücken und ergötzte sich an dem, was ihm geboten wurde. Ein Bankett, nur für uns.
Noch immer lieferten einige Soldaten Widerstand, den Myriam und ich beinahe gebrochen hatten.
Er ballte die Hände zu Fäusten und befeuchtete sich die Lippen, stand unschlüssig vor dem Brunnen und wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte Crevi und Ennyd unter keinen Umständen folgen. Nicht jetzt.
» Vlain!«, rief jemand, den er schon fast vergessen hatte. Yve kam mit Jayden im Schlepptau auf ihn zu gerannt und winkte ihm mit der Hand, in der sie den bluttriefenden Degen hielt.
Seine bereits kümmerliche Beherrschung geriet ins Wanken. Yves Handbewegung fing sich wie eine stumme Herausforderung in seinen zuckenden Augen. Der Dämon schien sich förmlich durch seine Iris zu brennen.
Seine Muskeln waren zum Zerbersten angespannt und sein Kopf schmerzte und brummte wie ein Bienenkorb, deren Bewohner gierig verlangten, herausgelassen zu werden.
Sieh es ein, Vlain. Dich verlangt es genauso sehr danach wie mich , kicherte sein zweites Gesicht. Das Schlimmste daran war, dass das, was in ihm lauerte, Recht hatte. Vlain wollte, dass der Durst endete. Der Schmerz in seiner Kehle steigerte sich ins Unermessliche und ließ ihn aufkeuchen. Krampfhaft gruben sich seine Finger in den kühlen Stein des Brunnen und hinterließen tiefe Kratzer.
Jeden Augenblick wäre es zu spät.
Er wusste es.
Und war machtlos dagegen.
Da wurde sein tierischer Verstand von einer schnellen, schemenhaften Bewegung am Rande abgelenkt.
Ein verletzter Krieger stemmte sich mühsam aus dem Staub, drückte sich schwer atmend eine Hand auf den tiefen Schlitz in seinem Hals. Voller Rache in den Augen, griff er nach einem Speer, sprang mit dem Mut der Verzweiflung auf die Beine und hielt einen wilden Schrei ausstoßend auf Yve und Jayden zu.
Der menschliche Teil seiner selbst erkannte sofort, dass jede zugerufene Warnung zu spät käme. Sollte es das gewesen sein?
Doch sein menschlicher Verstand war nicht länger Herr der Lage.
Fließend duckte er sich, nahm Anlauf und sprang. Und während er flog, fiel seine menschliche Gestalt einer Maske gleich von ihm ab. Die Welt um ihn herum explodierte in einem Schwall aus Rot und Schwarz und verlor sämtliche Konturen. Es ging schnell, fast übergangslos und die Bestie hatte sich an die Oberfläche gegraben.
Wild fauchend grub Vlain dem entsetzten und wie gelähmten Krieger, der eben noch, in der festen Absicht die Rebellin und den Bettler zu töten, das Schwert geschwungen hatte, die Klauen ins Gesicht, biss ihm die Kehle auf und versenkte die lange
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