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Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)

Titel: Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marnie Schaefers
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»Das ist weitaus beachtlicher. Man gewöhnt sich normalerweise innerhalb von ein paar Tagen an die seltsame Beschaffenheit von Gynster Marbelle, aber…«
    » Nicht.« Sie winkte ab. Im Augenblick wollte sie nicht an ihre einstige Heimat erinnert werden. Sie wollte nicht mehr an die mit Stacheldraht gesicherten Mauern denken. Sie wollte nicht ständig Reird Laines Gesicht vor sich sehen.
    » Im Grunde genommen können wir nur aufs Geratewohl losziehen«, kommentierte ich die nächste Abbiegung, die ich nahm. »Vielleicht haben wir ja Glück und finden den richtigen Weg auf Anhieb.«
    Yve verkniff es sich die Frage zu stellen, wann wir denn das letzte Mal Glück gehabt hätten . In der Tat war dies schon eine Weile her.
    Noch immer konnte sie nicht glauben, dass Vlain uns tatsächlich verraten hatte. Wie hatte noch gleich der erste Vorsatz für eine möglichst lange Lebensgarantie in Ral’is Dosht gelautet? Traue niemandem. Daran hätte sie festhalten sollen.
    Zudem hätte sie es ahnen können. Vlain war ein Mörder, das war ihr bekannt gewesen. In Ral’is Dosht waren Gerüchte und dunkle Geschichten an der Tagesordnung, so hatte sie schon von einem Mann gehört, der sich seinen Namen als Vlain der Meister gemacht hatte. Dennoch wäre sie niemals auf die Idee gekommen… Prominenter Meuchler hin oder her.
    Sie selbst war schließlich eine prominente Gesetzlose, eine Rebellin des Südens. Yve die Widerliche. Hatte sie deswegen dunkle Gedanken gehegt? Sie hätte sich endlos verfluchen können, dass sie sich hatte täuschen lassen.
    »Du hättest es nicht wissen können«, hatte ich versucht, ihr Erleichterung zu verschaffen. »Du solltest dir deshalb keine Vorwürfe machen.«
    » Ich hätte es Crevi sagen können.«
    » Nein, das hätte ich tun müssen«, widersprach ich ihr mit Nachdruck. »Ihr alle tragt keine Schuld daran. Ich hingegen habe es gewusst . Und habe dennoch nichts unternommen.«
    Blieb die Frage: Wieso nicht?
    Vermutlich marterte diese Frage uns alle.
    Ennyd zufolge konnte man einem Dämon überhaupt nicht trauen, wie er uns – ganz wie es des Diebes Art war – großspurig erläutert hatte. Jayden hatte zugegeben, dass er seit dem Auftauchen der Bande eine Vermutung gehegt hätte, die er durch eine Vision, von der er uns nicht berichtet hatte, weitgehend bestätigt gesehen habe.
    Und ich hatte die ganze Zeit über Zugriff auf Vlains Gedanken gehabt, hatte sämtliche seiner Pläne gekannt und war trotzdem nicht eingeschritten. Wieso nicht? Nicht etwa, weil mir Crevis Wohlergehen nicht am Herzen lag – mitnichten! Der Seelendiebstahl unterlag nun einmal gewissen Regeln, die es verboten, intime Gedanken an Dritte weiterzugeben. Zudem schien Vlain entschlossen gewesen, nicht länger an seinem Auftrag festzuhalten.
    Dies war auch ein Grund für mich gewesen, ihn, nachdem die Geschichte ans Licht gekommen war, in Schutz zu nehmen. Vor der Verachtung, der Wut, der Enttäuschung der anderen. Vlain hatte sich schließlich längst von dem ihm vorherbestimmten Weg abgewandt! Selbstverständlich erschien es den anderen dennoch als Verrat, doch ich, der ich ebenfalls dem Rat diene, verstehe seine Beweggründe sehr gut. Denn auch ich kenne ihn, den Druck, der von oben auf Vlain ausgeübt worden ist, und auch die Konsequenzen, die ihm bevorstehen, sollte er bei seinem neuen Auftrag – das Heilmittel zu beschaffen – scheitern, sind mir bewusst. Ihn aus unserer »Gemeinschaft« zu verstoßen käme einer Art Todesurteil gleich. Deshalb begleitete er uns noch immer.  
    Yve konnte verstehen, dass ich niemanden eingeweiht hatte. Auch warum ich sie, Ennyd, Jayden und Crevi – vor allem Crevi! – dazu überredet hatte, Vlain weiterhin zu dulden. Wir hatten uns ausgiebig darüber unterhalten. Das hieß jedoch nicht, dass es ihr gefallen musste.
    Auch fragte sie sich wieder und wieder: Wer trug nun die Schuld an dem Dilemma?
    Angesichts Crevis Enttäuschung, ihres Leids, erschien Yve ihr Zögern , was sie über Vlain wusste mit ihrer Freundin zu teilen, mehr als unangebracht. Nur hätte es irgendetwas geändert, wenn sie – oder jemand von uns anderen – mit der Sprache herausgerückt wäre?
    Die junge Frau hatte sich nicht einmal von ihr trösten lassen. Sie fühlte sich furchtbar. Wäre es nicht ihre Pflicht als beste Freundin gewesen, stets aufrichtig und ehrlich zu ihr zu sein? Crevi hatte Recht enttäuscht zu sein.
    Yve war enttäuscht von sich selbst. Von ihrer Dummheit. Das Schlimmste aber war, dass sie

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