Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Vlain lapidar fest. Wir hatten die Dienstbotengänge bereits hinter uns gelassen und waren eine mit dicken Teppichen belegte Treppe hinauf gestiegen, folgten nun dem Verlauf des Ganges, der von streng blickenden Portraits ehemaliger Absolventen gesäumt war. Fast wie in einem alten Herrenhaus, nur dass dies hier kein Herrenhaus war.
» Ja.«
» Hmmm…«, Vlain kratzte sich am Kinn. »Du magst sie«, stellte er nach einer Weile fest und wartete aufmerksam auf meine Reaktion.
Ertappt zuckte ich zusammen, versuchte es, mit einer wegwerfenden Handbewegung zu touchieren, konnte jedoch nicht verhindern, dass meine Wangen zu brennen begannen . »Darf ich sie nicht mögen?«
» Doch sicher.« Er lächelte schwach. »Sie mag dich auch.«
» Ich weiß.«
Nur leider mochte sie mich nicht genug.
Es war beängstigend, wie sehr ich mir wünschte, es würde reichen. Irgendwie.
Trotz allem wusste ich, wie sehr Crevi ihn nach wie vor liebte. Wie sehr sie darunter litt. Es beruhigte mich ungemein, zu wissen, dass sie sich zumindest Yve gegenüber geöffnet hatte. Deswegen klammerte ich mich auch in diesem Moment an diesen Gedanken, um meine Nerven zu beruhigen. Ich brauchte jetzt einen klaren Kopf, Herrgott noch mal! Also ließ ich die Erinnerungen, die nicht die meinen waren, erneut aufflackern.
» Hey«, hatte Yve begonnen und die Tür hinter sich geschlossen. Die junge Frau hatte mit dem Rücken zu ihr gesessen und sie keines Blickes gewürdigt. »Ich hab dir was mitgebracht. Ich dachte, vielleicht heitert dich das etwas auf.«
Yve ließ sich neben Crevi auf die Matratze sinken. Kramte in ihrer Tasche nach der Schokolade. Ungewöhnlich schüchtern streckte sie ihrer Freundin das Geschenk entgegen. Diese nahm ihr die Süßigkeit aus der Hand und legte sie unangerührt neben sich. »Ach, Yve«, wisperte sie.
» Schokolade hilft immer. Gegen jede Art von Kummer«, erklärte Yve. »Allem voran natürlich bei Liebeskummer, hab ich mir sagen lassen.«
» Oh, Yve…« Unerwartet wurde aus der Teilnahmslosigkeit ein Schluchzen. »Es tut mir so leid…das alles!«
» Beruhig dich erst mal.« Yve hatte nicht gewusst, was sie tun sollte.
Ein Kopfschütteln hatte sie geerntet. Einen verbissenen Blick . »Du verstehst das nicht…«
» Was verstehe ich nicht?«
» Ich habe dir Unrecht getan, ich hätte dir vertrauen sollen. Ich…habe schon wieder alles falsch gemacht!« Crevi wischte sich über die Augen und wandte sich zur Seite, wich ihr aus.
» Unsinn, Crevi. Maus, du hast nichts falsch gemacht. Wenn jemand etwas falsch gemacht hat, dann Vlain.« Sie wollte sie erneut zu sich heranziehen, aber Crevi wehrte ihre Hand ab.
» Darum geht es gar nicht.«
» Nicht?«
Ein erneutes Kopfschütteln.
»Worum dann?«
» Er hat mir gesagt, ich solle mich an diejenigen halten, von denen ich weiß, dass ich auf sie zählen kann. Und das habe ich nicht getan. Ich war so dumm…«
» Du meinst deinen Dad?«
Ein Nicken . »Ich war so blind…«
» Nicht umsonst heißt es, blind vor Liebe sein.«
» Ich meine, dir gegenüber.« Es war das erste Mal seit Wochen, dass Crevi ihr direkt in die Augen sah. Yve runzelte die Stirn, aber da fuhr sie bereits fort: »Nach…Vlains Verrat war ich am Boden zerstört, um es auf den Punkt zu bringen. Ich habe nichts mehr gesehen außer meinen Schmerz, ich habe mich vor euch anderen verschlossen, euch Mitschuld gegeben, obwohl ihr nichts dazu konntet. Dabei habe ich völlig aus den Augen verloren, dass ihr mir nur helfen wolltet. Dass ihr immer für mich da wart. Ist das nicht furchtbar idiotisch?«
» Du hast Recht, furchtbar idiotisch.«
Crevi zog fragend eine Augenbraue hoch. Die Rechte, ganz wie es ihre Angewohnheit war.
»Mensch, Crevi!« rief Yve nach einer Weile der Stille glücklich lachend aus. »Als könnte ich dir jemals böse sein!«
Trotz der fließenden Tränen waren sich die beiden in die Arme gefallen, hatten sich ganz festgehalten und ohne viele Worte zu verlieren, war alles gesagt . »Wir sind Freundinnen, so oder so«, flüsterte Yve und ließ sich von der Erleichterung des Moments durchfluten. So einfach war es gewesen! Doch was sie weiterhin erfahren sollte, würde ihr das Lächeln nur wenig später wieder vergehen lassen.
Yve ahnte, dass ihrer Freundin weitaus mehr auf der Seele lag. Sie erkannte es an Crevis ernstem Blick, am angestrengten Zucken ihrer Mundwinkel wenn sie sich bemühte, die Fassung zu wahren. Etwas, das Yve ganz und gar nicht gefiel. Wann hatte
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