Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
zwang mich damit aufzuhören.
Beschämt über meine eigene Unfähigkeit, diese Gedanken im Zaum zuhalten, zog ich mich unauffällig in eine dunklere, etwas abgelegene Ecke zurück, um mir über das Durcheinander in meinem Kopf klar zu werden.
Da tippte mir jemand auf die Schulter.
Es war Crevi, die mich überrumpelte.
»Zieh nicht so ein Gesicht«, neckte sie mich und knuffte mich spielerisch in die Seite, ehe sie sich neben mich setzte und dabei so nah an mich heranrückte, dass mein Puls unwillkürlich höher schlug. »Bald haben wir es geschafft. Freust du dich denn gar nicht?«
Sie strich behutsam über meine Brust und stellte meine Beherrschung damit auf eine harte Probe. Intuitiv nahm ich ihre Hand und schob sie fort. Nur langsam gelang es mir, die erste Hürde zu nehmen und mich einigermaßen zu samme ln. Ihr lockeres Auftreten veranlaßte mich zu einer verhaltenen Reaktion. »Doch schon«, druckste ich herum und kam mir dabei vor wie ein grässlicher Hochstapler.
» Sieht aber nicht so aus.«
» Ach nein?«
» Nein«, meinte sie zwinkernd.
» Oh. Ich bin etwas besorgt. Sagen wir es so…« Ich versuchte es mit einem Lächeln, was ihrer Reaktion nach furchtbar misslang.
Ihre gute Laune schwand augenblicklich. Crevi wirkte plötzlich nachdenklich . »Wenn ich ehrlich sein soll, ich auch.«
» Ja?«
Mein Magen rebellierte. Hatte sie wohlmöglich mehr mitbekommen, als uns aufgefallen war? Mehr, als sie hätte erfahren dürfen?
Sie nickte, vergewisserte sich rasch, dass niemand der anderen in Hörweite war und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich habe das schreckliche Gefühl, dass Vlain etwas zugestoßen ist«, vertraute sie mir an.
» Wie kommst du darauf?«
» Einfach so. Ich kann mich täuschen, aber…ich weiß es nicht.« Sie warf die Hände in die Luft und wirkte verzweifelt. »Vielleicht fühle ich mich einfach nur entsetzlich alleine, jetzt da er fort ist. Aber es erscheint mir doch etwas unlogisch, dass niemand die Richtigkeit seiner Nachricht angezweifelt hat. Niemand außer dir hat sie gesehen, bevor sie durch das Blut vernichtet worden ist. Woher wollen wir wissen, dass der Brief wirklich von ihm stammt und nicht Liwy ihre Finger im Spiel hatte?«
Ihr Anblick zerriss mich innerlich. Ich verspürte das dringende Bedürfnis, Crevi zu trösten, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Für diesen Moment, wollte ich nichts lieber, als ihr all ihre Ängste nehmen. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen, sie vor den anderen warnen und sie in Sicherheit bringen, doch hatte Liwy mir ausdrücklich gesagt, dass dies keinen Zweck hätte.
» Ich bin sicher, es geht ihm gut«, sagte ich, ehe ich mir dessen bewusst war.
» Bist du wirklich sicher?« Sie kam noch ein klein wenig näher.
» Bestimmt.«
Solange ich nur genau das tue, was Liwy sagt.
Sie schüttelte wissend den Kopf. »Das sagst du nur, damit ich aufhöre, mich zu sorgen.«
Ich schwieg.
»Wusste ich’s doch. Aber das ist in Ordnung.« Sie winkelte die Beine an und legte den Kopf in den Nacken. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
» Wenn ich kann.«
» Würdest du mich in den Arm nehmen? Das könnte ich jetzt gut gebrauchen.«
Ich nickte. Zutiefst ergriffen. Mein Hals war wie zugeschnürt .
Unheimlich vorsichtig, um Crevi ja nicht wehzutun, zog ich sie an mich. Ich war sicher, das Herz würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen, und konnte gleichzeitig kaum glauben, dass sie nichts davon merkte. Stattdessen klammerte sie sich an mich, verzweifelt und schutzsuchend und die vermeintliche Sicherheit genießend, die ich ihr in diesem Moment gab.
Da ließ uns ein vornehmes Räuspern abrupt auseinander fahren.
»Ich hoffe, ich störe euch nicht?« Es war zum Glück nur Ennyd, was mich erleichtert aufatmen ließ. Crevi hingegen schien nicht zu wissen, wohin mit sich und verharrte schließlich. »Ich dachte, ihr wollt doch bestimmt etwas Tee?«
» Oh ja, danke«, sagte mein Schützling schnell, sichtlich peinlich berührt, und nahm die Tasse, die ihr der Dieb hinhielt, entgegen, ehe ich auch nur daran denken konnte, das Unvermeidliche zu verhindern. Sie wollte bereits an dem warmen Getränk nippen, als ich eine unvermittelte Bewegung machte, die sie die Flüssigkeit verschütten ließ. Fluchend sprang sie auf, um das Ausmaß des Schadens zu begutachten.
» Nein, warte. Das war meine Schuld«, entschuldigte ich mich hastig und nahm ihr die Tasse aus der Hand.
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